taz.de -- Uneinigkeit bei der AfD: Die gespaltene Alternative
Der Streit um die Ausrichtung der „Alternative für Deutschland“ geht quer durch die Partei - in Bremen zweit er auch die künftigen Bürgerschaftsabgeordneten.
BREMEN | taz Die Spaltung der Alternative für Deutschland (AfD) zeigt sich nicht nur auf Bundesebene: In Bremen verläuft die Front zwischen Anhängern der rechtskonservativen Frauke Petry und dem etwas gemäßigteren Bernd Lucke quer durch die Gruppe der künftigen AfD-Abgeordneten in der Bürgerschaft.
Eindeutig hinter Lucke stellt sich Piet Leidreiter, der AfD-Bundesschatzmeister war, bis er Mitte Mai aus Protest gegen Petry den Posten aufgab. Leidreiter zieht auf Platz 2 der Landesliste für Bremen in die Bürgerschaft ein. Neben ihm, oder zumindest stark in seiner Nähe, wird dann Alexander Tassis sitzen.
Der zog über Platz 3 der Landesliste ins Parlament. Sein Steckenpferd ist die „Einwanderungspolitik“: „Unkontrollierte Zuwanderung“ solle durch eine „aktive Einwanderungspolitik“ ersetzt werden, meint Tassis. Die „Hoheitsrechte der Völker“ und die Nationalstaaten seien durch „eine unkontrollierbare englischsprachige Elite in Brüssel“ bedroht.
Tassis ist gegen Entnationalisierung und „Multi-Kulti“ und sorgte als Bundessprecher der „Homosexuellen in der AfD“ für Aufmerksamkeit mit Positionen gegen Gender-Mainstreaming und der Idee, Homophobie sei nur auf die Islamisierung zurückzuführen und Gleichstellung „ein Kampf von gestern“. Kein Wunder also, dass er sich zu Frauke Petry gesellt - zuletzt auch durch die Ankündigung einer Kandidatur für den Petry-lastigen Bundesvorstand.
Am 11. Juni stellte Tassis auf seiner Facebookseite noch einmal klar: „Eine nationalpatriotische Ausrichtung ist keine Richtung, sondern Fundament allen Handelns“. Einwanderung sei das wichtigste innenpolitische Thema für die AfD-Wähler. „Die AfD muss die Stimme der Patrioten werden, für Deutsche mit und ohne Migrationshintergrund.“
Tassis hat Mitstreiter - nach taz-Informationen etwa Peter Jadasch, Beisitzer im Bremer Landesvorstand.
Und der Bremer AfD-Chef Christian Schäfer? Ende Mai trat er zusammen mit Lucke und seinen Mitstreitern auf einer Diskussionsveranstaltung in Hamburg auf. Luckes „Weckruf 2015“ allerdings hat Schäfer bis heute nicht unterzeichnet. Für eine Stellungnahme war er bis taz-Redaktionsschluss nicht zu erreichen. Laut Antonia Hanne, Sprecherin der Bremer AfD, ist der Landesverband allerdings im Streit „gemäßigt“ und man wolle sich nicht spalten lassen: „Die meisten von uns sind für Herrn Lucke“, sagt sie. Wie Schäfer hat auch sie den „Weckruf“ Luckes gegen rechtsextreme Tendenzen in der AfD nicht unterzeichnet: „Für eine politische Partei Bekenntnisse zu unterschreiben, ist mir zu viel“, sagt sie. „Herr Schäfer sieht das genauso und mit ihm viele im Landesverband.“ Für Hanne ist klar: Wer nicht gemäßigt sei, müsse rausfliegen. Das beziehe sich auf Mitgliedschaften, aber auch auf die inhaltliche Nähe zu Parteien wie der NPD oder „Die Freiheit“.
Darin, dass Alexander Tassis als künftiger Mandatsträger in der Bürgerschaft ein entschiedener Gegner Luckes ist, sieht Hanne kein Problem: „Ich kann das tolerieren und Herr Schäfer auch“, so Hanne. Tassis habe „eine andere Perspektive, ist bekennender Schwuler mit Migrationshintergrund“. Und: Man wolle nicht, dass in Bremen der Kampf ausbricht.
21 Jun 2015
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