taz.de -- Zoff um Prostitutionsgesetz: Mindestalter für Puffmutter?

Die Koalition streitet über das Gesetz fürs Rotlichtmilieu. Einen Idiotentest für Prostituierte soll es nicht geben, versichert das Familienministerium.
Bild: Auch für „Prostitutionsfahrzeuge“ will das Gesetz Regeln festlegen, zum Beispiel was Türen betrifft.

BERLIN taz | Knapp 80 Seiten samt Anhängen lang ist der Entwurf des Prostituiertenschutzgesetzes. Ein üppiger Packen Papier. Das neue Mautgesetz, das gerade beschlossen wurde, zählt rund 50 Seiten und betrifft über 44 Millionen AutofahrerInnen in Deutschland. In der Prostitution arbeiten hierzulande geschätzt 400.000 Frauen und Männer.

Was steht in einem Gesetzentwurf, der hoch umstritten ist? Und der versucht, Moral und Recht zu verbinden, indem er Regeln für SexarbeiterInnen, BordellbetreiberInnen und KundInnen aufstellt? Selbst über Auswirkungen für AnwohnerInnen wird nachgedacht.

Manches aus dem Papier, das der taz vorliegt, ist bekannt: Kondompflicht für Sexkäufer, Anmeldepflicht für Prostituierte, Pflicht zu Gesundheitskonsultationen. Als „Idiotentest“ kritisiert die Prostituiertenorganisation Dona Carmen in Frankfurt/Main den Passus, dass die Anmeldebescheinigung verweigert werden könne, wenn „eine Prostituierte oder ein Prostituierter nicht über die zum eigenen Schutz erforderliche Einsicht verfügt“. Das weist das Familienministerium, zuständig für das Gesetz, zurück. Es gebe „keine Pläne“ der Regierung, „einen ‚Idiotentest‘ für Prostituierte einzuführen“, sagte eine Sprecherin.

Das Gesetz soll 2016 in Kraft treten. Doch die Abstimmung zwischen Union und SPD ist nicht unkompliziert. CDU/CSU wollen es rigider, die SPD hätte es gern liberaler. Am Donnerstagabend wollten sich dem Vernehmen nach zuständige Gremien treffen, um erneut über strittige Fragen zu verhandeln. Dabei dürfte es unter anderem um die Frage gehen, ob SexkäuferInnen ein Bußgeld zahlen sollen, die kein Kondom verwenden. Unklar sind sich die Koalitionspartner auch, wie alt mindestens BordellbetreiberInnen sein müssen: volljährig oder doch besser 21?

Unabhängig davon stellt sich die Frage, wie praxisnah das Prostituiertenschutzgesetz ist. Wie will man beispielsweise überprüfen, ob SexkäuferInnen tatsächlich Kondome benutzen? Indem Kontrollbehörden benutzte Präservative einsammeln? Oder könnte es demnächst noch ein weiteres Gesetz geben, eins zur Sexpolizei?

Der Entwurf entbehrt auch nicht unfreiwilliger Komik. So müssen „Prostitutionsfahrzeuge [beispielsweise Wohnwagen, d. A.] so ausgestattet sein, dass die Türen (…) von innen jederzeit zugänglich sind“. Und eine Bordellerlaubnis erlischt, wenn der Betreiber nicht innerhalb eines Jahres den Laden aufgemacht hat.

11 Jun 2015

AUTOREN

Simone Schmollack

TAGS

Prostitution
Gesetz
Kondom
Koalition
Prostitution
Finanzamt
Prostituiertenschutzgesetz
Sexarbeit
Prostitution
Prostitutionsgesetz
Prostitution
Prostitution
Prostituiertenschutzgesetz
Fifa-Präsident
Bordell

ARTIKEL ZUM THEMA

NRW gegen das Prostituiertenschutzgesetz: Ist lustloser Sex schon Prostitution?

NRW hat viel Kritik an dem neuen Gesetz zum Schutz von Prostituierten und will im Bundesrat zahlreiche Änderungsanträge einreichen.

Finanzamt gnadenlos: Spender müssen Steuern zahlen

Doña Carmen, eine Beratungsstelle für Prostituierte in Frankfurt am Main, verliert den Status der Gemeinnützigkeit.

Geplantes Prostituiertenschutzgesetz: Geregelter Sex

Koalition will per Gesetz bessere Bedingungen für Prostituierte schaffen. Lobbyverbände befürchten mehr Kontrolle als Schutz.

Kommentar Amnesty zu Sexarbeit: Verbot schützt Prostituierte nicht

Es gibt Prostitution, zum Teil auch Zwangsprostitution. Amnesty International erkennt diese Realität an – und handelt human und pragmatisch.

Reaktionen auf Amnesty-Beschluss: „Ich bin schockiert“

Alice Schwarzer ist empört über den Beschluss von Amnesty International. Der Deutsche Frauenrat gibt den Menschenrechtlern recht.

Kommentar Prostitutionsgesetz: Von wegen Schutz der Frau

Die Verhandlungen über ein Prostitutionsgesetz zeigen: Die Union will Sexarbeit am liebsten grundsätzlich verbieten.

Verschärfung des Prostitutionsgesetzes: Nur mit Schein auf den Strich

Schwesig ändert den Entwurf fürs Prostitutionsgesetz im Sinne der Union. Wer keine Anmeldebestätigung vorweisen kann, muss zahlen.

Kommentar Zwangstest für Prostituierte: Sex, Lügen und Idiotentests

Die Regierung möchte Idiotentests für Prostituierte einführen. Die Debatte darüber zeigt, dass Sexarbeit eben doch kein normaler Job ist.

Neues Prostituiertenschutzgesetz: Idiotentests für Sexarbeiterinnen?

2016 soll das neue Gesetz in Kraft treten. Die Prostituiertenorganisation Doña Carmen fürchtet Gängelei und unangemeldete Razzien.

Korruptionsskandal bei der Fifa: „Schon lange auf der schwarzen Liste“

Südafrika und Australien haben Ermittlungen gegen die Fifa gestartet. Bei deutschen Banken ist der Verband nicht erst seit heute unten durch.

Schwedischer Sozialarbeiter über Freier: „Es ist falsch, Sex zu kaufen“

Männer gehen zu Prostituierten, statt sich um ihre realen Beziehungen zu kümmern, sagt Johan Christiansson. Er unterstützt Freier, die aufhören wollen.

Kommentar Prostitutionsgesetz: Sexarbeit unter Kontrolle

Bezahlter Sex soll reguliert werden. Doch die neuen Regeln setzen auf Zwang, statt auf Eigenverantwortung. Andere Lösungen wären denkbar gewesen.