taz.de -- Kommentar deutsche Klimapolitik: Die Kanzlerin duckt sich weg

International gibt sich Angela Merkel als progressive Klimapolitikerin. Zu Hause aber schweigt sie und stärkt so die Kohlelobby.
Bild: Angela Merkel beim Petersberger Klimadialog

Wenn es um Klimaschutz auf internationaler Ebene geht, ist Angela Merkel um klare Worte nicht verlegen. Ein „ambitioniertes, verbindliches Klimaabkommen“ sei zwingend erforderlich, sagte sie gerade wieder bei einem Treffen mit anderen Staatschefs. Beim G-7-Gipfel im Juni will die Kanzlerin als Gastgeberin für das Ziel einer „kohlenstofffreien Wirtschaft“ werben.

Zur Klimapolitik im Inland ist von der Kanzlerin hingegen fast nichts zu hören. Zwar steht sie weiterhin hinter dem deutschen Ziel, die CO2-Emissionen bis 2020 um 40 Prozent zu senken. Doch bei der praktischem Umsetzung dieses Ziels duckt sich Merkel bisher weg. Die Prügel für notwendige Veränderungen sollen andere einstecken.

Besonders deutlich wird das beim Streit über die dreckigen Braunkohlekraftwerke, deren Boom alle Fortschritte bei erneuerbaren Energien und Effizienz zunichte macht. Mit einer neuen Abgabe will Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel zumindest die ältesten dieser Klimakiller ein wenig drosseln. Nicht nur die Kohlekonzerne und die rückwärtsgewandte Energiegewerkschaft liefen dagegen Sturm, sondern auch der Wirtschaftsflügel der Union. Indem Merkel dazu schweigt, stärkt sie diese Kritiker.

Das bleibt nicht ohne Wirkung. Als Reaktion auf den Druck der Kohle-Lobby scheint Gabriel bereit zu sein, das neue Instrument massiv abzuschwächen – und damit das Erreichen des deutschen Klimaziels noch unwahrscheinlicher zu machen.

Auch wenn sie beim Klimadialog eine gute Chance dafür verstreichen ließ: Noch kann Merkel mit einer klaren Ansage dafür sorgen, dass auch die deutschen Kohlekraftwerke endlich ihre Emissionen verringern müssen. Wenn sie darauf aber verzichtet, kann sie sich in Zukunft auch ihre warmen Worte auf internationalen Konferenzen sparen.

20 May 2015

AUTOREN

Malte Kreutzfeldt

TAGS

CO2-Emissionen
Schwerpunkt Angela Merkel
Sigmar Gabriel
Schwerpunkt Klimawandel
Kohlekraftwerke
Klimaschutzziele
Vereinte Nationen
Klima
Schwerpunkt Klimawandel
Kohle
CO2-Emissionen
Braunkohle
Vattenfall
Amazon

ARTIKEL ZUM THEMA

Vor der UN-Konferenz in Addis Abeba: Irres Diplomatenmikado

Die Bundesregierung setzt alles daran, dass die Belastungen weltweit nicht gerechter verteilt werden. Sie muss umdenken.

Klima versus Kohle: Merkel bleibt Kohle-Kanzlerin

Die Kanzlerin distanziert sich von der geplanten Abgabe für alte Kohlekraftwerke. Sie will zu Hause nicht das, was sie international fordert.

Pensionsfonds ändert Anlagemodell: Ein einstimmiger Sieg fürs Klima

Der zweitgrößte Pensionsfonds der Welt gehört dem norwegischen Staat. Er soll künftig nicht mehr in Kohle investieren.

Versicherung steigt aus: König Kohle ohne Volk

Der globale Kohlemarkt spielt verrückt: Die Preise sind im Keller, trotzdem steigt die Nachfrage nicht. Jetzt reagiert sogar die Hochfinanz.

Petersberger Klimadialog: Kohle auf den Tisch!

Deutschland will seine Ausgaben zum Klimaschutz verdoppeln. Doch daheim vermeidet Angela Merkel Hilfe im Kampf gegen die Kohle.

Petersberger Klimadialog: Superhelden verzweifelt gesucht

Deutschland und Frankreich werben auf dem Petersberger Klimadialog für einen Ausstieg aus fossiler Energie. Jetzt werden mögliche Folgen diskutiert.

Kohleabgabe abgeschwächt: Ein Herz für Klimakiller

Wirtschaftsminister Gabriel gibt dem Druck von Konzernen und Gewerkschaften nach: Alte Kohlekraftwerke werden geschont.

Kommentar Netzkonzerne und Ökostrom: Grünes Netz? Da geht noch mehr

Wenn Greenpeace Facebook und Google für die Nutzung erneuerbarer Energien lobt, bedeutet das vor allem eines: Ein grünes Internet ist machbar.