taz.de -- Keine Massenproteste im Sudan: Khartum träumt von Kairo

Studenten und Oppositionelle rufen zu Massenprotesten gegen Präsident Bashir auf, aber es reagiert vor allem die Staatsmacht. Studentenführer wurden festgenommen.
Bild: Ausgerechnet er sitzt fest im Sattel: Sudans Präsident Omar Hassan al-Bashir.

BERLIN taz | Egal in welche Himmelsrichtung man von Sudans Hauptstadt Khartum aus den Nil entlangblickt: Die Zeichen stehen auf Veränderung. Im Süden entsteht gerade Afrikas neuester unabhängiger Staat Südsudan. Im Norden tobt der ägyptische Aufstand gegen Mubarak. Mitten zwischen diesen beiden Brennpunkten kann doch nicht ausgerechnet Sudans Präsident Omar Hassan al-Bashir fest im Sattel sitzen, denkt sich da die nordsudanesische Opposition.

Seit einer Woche versuchen daher Studenten und Oppositionelle in Khartum, per Mobilisierung im Internet Massenproteste nach ägyptischem Muster auf die Beine zu stellen. Die Facebook-Gruppe "Youth for Change" sammelte in kürzester Zeit über 15.000 Mitglieder und rief daraufhin für das vergangene Wochenende zu "friedlichen Demonstrationen ohne Gewalt" auf. Dann trafen aber lediglich rund 100 Demonstranten vor dem Präsidentenpalast ein, weniger als die versammelten Polizisten.

An der Universität Omdurman demonstrierten rund 500 Menschen. Die Regierung triumphiert nun und sagt, die Facebook-Solidaritätserklärungen kämen zu 85 Prozent aus dem Ausland. Sicherheitshalber aber wurde die Universität Khartum von der Polizei abgeriegelt, ihr Rektor entlassen. Mehrere Studentenführer und einige hundert Studenten wurden festgenommen, einer erlag bereits seinen Verletzungen nach Schlägen durch Sicherheitskräfte, berichten Oppositionsquellen.

Präsident Bashirs Sicherheitsberater Salah Gosh warf am Dienstag Teilen der sudanesischen Opposition "Verschwörung zum Regimewechsel" vor - ein Straftatbestand, auf das im Sudan die Todesstrafe steht. Die Kommunisten und die islamistische Volkskongresspartei (PCP) des inhaftierten Oppositionsführers Hassan al-Turabi versuchten, die Regierung mit Massenprotesten zu stürzen, so Gosh; dies sei aber zum Scheitern verurteilt, weil Sudans Regierung anders als die in Tunesien und Ägypten auf breite öffentliche Unterstützung zählen könne.

Damit ist wohl gemeint, dass sich Sudans Oppositionsparteien nicht einig sind. Der bekannteste Oppositionsführer, Sadiq al-Mahdi, Führer der Partei "Umma", geht eigene Wege: Er traf vor zwei Wochen mit Bashir zusammen und besprach nach Angaben seiner Partei mit ihm eine "nationale Agenda" zum Umgang mit der "gefährlichen Situation", in der sich Sudan befinde.

Noch letztes Jahr gab es Vermutungen, Mahdi wolle sich mit Turabis Islamisten und den Rebellen im westsudanesischen Darfur verbünden, um Bashir zu stürzen. Eine solche Allianz scheint nun in weite Ferne gerückt.

2 Feb 2011

AUTOREN

Dominic Johnson

ARTIKEL ZUM THEMA

Krieg im Sudan: Kampf um Ölregion

Schwere Kämpfe erschüttern die zentralsudanesische Region Abyei, deren Zugehörigkeit zu Nord oder Süd ungeklärt ist. Sie belasten die Gespräche zur Teilung des Landes.

Nach der Volksabstimmung im Sudan: Die Jugend will Häuser aus Stein

Die Trennung zwischen Süd- und Nordsudan ist beschlossen. Das offizielle Ergebnis der Abstimmung ist da, die USA und Europa gratulieren. Doch wie sieht es vor Ort aus?

Kriegsregion Darfur: Neue Kämpfe und Vertreibungen

Im Westsudan sind erneut zehntausende Menschen auf der Flucht. Zahlreiche Dörfer sind verlassen, berichtet die UN. Die Bewohner suchen Schutz in den Städten.

Referendum im Südsudan: Ergebnis besser als im Sozialismus

99 Prozent der Wähler haben für Unabhängigkeit von Südsudan gestimmt. Im Norden gehen Jugendliche gegen das Regime von Omar Bashir auf die Straße.

Vor dem Gipfel der Afrikanischen Union: Kontinent in Bewegung, Politiker erstarrt

Am Wochenende diskutieren Afrikas Führer die Folgen von Tunesien-Revolution und Sudan-Aufspaltung. Es dominiert die Suche nach Stabilität auf dem Kontinent.

Reaktion auf taz-Enthüllungen: Sudan-Demobilisierer demobilisiert

Die UN-Entwicklungsagentur UNDP streicht überteuerte Stellen in ihrem Südsudan-Demobilisierungsprogramm. Deutschland stellt seine Zahlungen unter Vorbehalt.

Mit überwältigender Mehrheit: Südsudan stimmt für Unabhängigkeit

Weniger als 2 Prozent der Südsudanesen wollen, dass der Sudan geeinter Staat bleibt. Nur in einer Gegend in Nord-Darfur stimmte die Mehrheit für den Status Quo.

Kämpfe an innersudanesischer Grenze: In Abyei hält der Frieden nicht

Zum Auftakt des südsudanesischen Unabhängigkeitsreferendums wird in der zwischen Nord und Süd umstrittenen Ölregion Abyei gekämpft. Dutzende Menschen starben.