taz.de -- Solidarität für den Euro: Keine griechische Tragödie
Wirtschaftswissenschaftler sagen, die Kluft zwischen Arm und Reich gefährde die Währung. Im Euro-Memorandum 2010/2011 nennen sie Auswege aus der Krise.
"Der Euro ist Europa." Mit diesem Motiv begründet Nicolas Sarkozy sein Festhalten an der Gemeinschaftswährung und seinen Widerstand gegen eine Staatspleite Griechenlands. Unterstützung erhält Frankreichs konservativer Staatspräsident nun von links: Die Arbeitsgruppe Europäischer Wirtschaftswissenschaftler wendet sich gegen jeden "Plan B". Hintergrund ist die Sorge, dass Griechenland seine Schuldenlast selbst dann nicht werde stemmen können, wenn die Regierung George Papandreous ihr Sparprogramm durchzieht. Dies liefe auf eine Insolvenz mit anschließender Umschuldung hinaus.
Die [1][alternativen Wirtschaftswissenschaftler] warnen in ihrem [2][Euro-Memorandum 2010/2011] vor einer griechischen Tragödie. Stattdessen bestehe der "einzige Weg nach vorne" in einem gemeinsamen Budget der Europäischen Union und folgenden Transferzahlungen an schwächelnde Staaten.
Damit wenden sich die Ökonomen gegen Pläne von Sarkozy und der EU-Kommission, vor allem das Volumen des Euro-Rettungsfonds zu verdoppeln. Vielmehr gehe es darum, die Volkswirtschaften der Eurostaaten zu retten, nicht die Währung. Die starken Länder sollten darum "fiskalische Solidarität" mit den Schwachen zeigen. Durchaus zum eigenen Nutzen, so profitierten die starken Länder besonders vom größeren Binnenmarkt und der gemeinsamen Währung. Bei einem Scheitern des Euro drohten auch ihnen wahlweise Deflation oder Inflation.
Eine auch von linken Ökonomen geforderte Umschuldung für Griechenland, Irland oder Portugal – auf Kosten der Banken – lehnen die über 400 Wirtschaftswissenschaftler ab. Das würde schwächere Volkswirtschaften von den günstigen Zinssätzen der Partnerländer abschneiden. Ein weiteres Auseinanderdriften Europas wäre die Folge.
Ohnehin drohe der Eurozone das Aus vor allem von der "Polarisierung zwischen Arm und Reich". Obwohl die Wirtschaft schon seit der zweiten Hälfte des Jahres 2009 wieder auf einen Wachstumspfad zurückgekehrt ist und auch die Zahl der Beschäftigten zunimmt, durchziehe ein tiefer Riss die einzelnen Staaten. "Die Lohnspreizung schreitet fast überall voran, selbst in den nordischen Ländern", schreiben die Ökonomen. Am größten ist sie in Großbritannien und den osteuropäischen Ländern. Besonders skandalös sei, dass mitten in Europa 19 Millionen Kinder in Armut leben. Dessen ungeachtet habe die Zahl der Reichen und deren Vermögen 2010 zugenommen.
Eine Polarisierung findet auch innerhalb der EU statt. Besonders kritisieren die linken, grünen und gewerkschaftsnahen Memo-Ökonomen einen Hauptnutznießer der Währungsunion: die Bundesrepublik. "Die in Deutschland verfolgte Niedriglohnpolitik hat in den vergangenen Jahren zu massiven Leistungsbilanzüberschüssen geführt." Die Überschüsse des Export-Europameisters, aber auch die von Holland oder Österreich seien die Miesen der anderen. Spiegelbildlich zum Aufstieg des Zentrums haben die schwächelnden Euroländer, geografisch am Rande der Union liegend, an Wirtschaftskraft verloren.
Finanziert werden soll die Euro-Solidarität über ein Ende des Steuerdumpings zwischen den Mitgliedstaaten und einer Finanztransaktionsteuer. Bei der Lösung der Krise könne die Politik dagegen nicht auf "unbegrenztes ökonomisches Wachstum" setzen.
Das diesjährige Euro-Memorandum wurde erstmals ohne Jörg Huffschmid erstellt, der vor einem Jahr gestorben ist. Der prominente Finanzmarktexperte gilt als Gründungsvater der "European Economists for an Alternative Economic Policy in Europe". Der Bericht erscheint in mehreren Sprachen. Zu den Unterzeichnern gehörte jahrelang auch der Ungar László Andor. Seit 2010 ist er EU-Kommissar für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten.
7 Feb 2011
LINKS
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Ohne Herbert Schui gäbe es die Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftswissenschaft wohl nicht. Die Idee entstand bei Rotwein und Lammkeule.
Zwar sind die Schuldigen an dem irischen Finanzdebakel abgewählt. Doch trotzdem wird der Steuerzahler die Verluste der Spekulanten bezahlen müssen.
Konservative deutsche Politiker schockten letztes Jahr mit ihrer Forderung, Griechenland solle einfach "ein paar Inseln verkaufen". Etwas ähnliches passiert jetzt wirklich.
EU, IWF und EZB fordern mehr Privatisierungen und kritisieren die Proteste in Athen. Damit verärgern sie die griechische Regierung, die sich die Einmischung verbittet.
Der griechische Ökonom Yannis Stournaras versteht nicht, warum die Deutschen Angst haben, Eurostaaten zu helfen: Die Kosten seien gering, die Vorteile enorm.
Das Schuldenproblem der Griechen ist nicht gelöst, sondern nur verschoben. Nun kursiert ein neuer Vorschlag zur Umschuldung, der die privaten Gläubiger entlasten würde.
Die EU-Finanzminister können sich in Brüssel nur darauf einigen, dass sie sich demnächst einigen wollen. Das Problem ist erkannt: Der EU-Rettungsschirm ist zu klein.
Wer mehr Geld in den EU-Hilfsmechanismus steckt, erfreut nur die Spekulanten, sagt Ökonom Stephan Schulmeister. Die Euroländer müssten die Zinsen selbst festsetzen.