taz.de -- Aktuelle Lage Fukushima: Die Fischer sind wütend
Nun versucht es der Betreiber des Atomkraftwerks mit Stickstoff, um eine drohende Explosion im Reaktor 1 zu verhindern. Auf Fischmärkten wird Ware aus Fukushima zurückgewiesen.
TOKIO dpa/afp | Japans Fischer sind stinksauer über die radioaktive Verschmutzung des Meeres wegen der Atomkatastrophe in Fukushima. "Ich bin geschockt", sagte ein 64 Jahre alter Fischer aus der benachbarten Provinz Ibaraki. Den Verantwortlichen beim Atombetreiber Tepco würde er am liebsten "Wasser ins Gesicht kippen", zitierte die japanische Zeitung Yomiuri Shimbun den Mann am Mittwoch. "Die sollen gefälligst die ganzen Fische, die wir nicht verkaufen können, selbst aufkaufen. Ich bin nur noch wütend".
Nun will Betreiber Tepco mit der Einspeisung von Stickstoffgas eine drohende Explosion verhindern. Die geplanten Arbeiten beträfen Reaktor 1 der Anlage, da sich dort so viel Wasserstoffgas ansammeln könne, dass es in Reaktion mit Sauerstoff zu einer erneuten Explosion kommen könne, sagte ein Tepco-Mitarbeiter am Mittwoch. Berichten des Senders NTV zufolge könnten die Arbeiten noch am Mittwoch beginnen. Sie sollen demnach mehrere Tage dauern.
Tepco hatte zuvor damit begonnen, radioaktiv verseuchtes Wassers aus der Atomruine ins Meer zu leiten. Die Arbeiter wussten nicht mehr, wohin mit den Wassermassen. Zudem war noch deutlich stärker verstrahltes Wasser tagelang durch ein Leck ins Meer gelangt.
Arbeiter konnten das Leck erst am frühen Mittwochmorgen (Ortszeit) abdichten. Zudem befinden sich auch in den übrigen Bereichen des AKW weiter zigtausende von Tonnen verstrahlten Wassers. Dank des Einsatzes von Flüssigglas dringe kein Wasser mehr aus der Leitung des Reaktors 2, teilte die Betreiberfirma Tepco heute mit.
Die Einsatzkräfte vor Ort hatten zunächst versucht, den 20 Zentimeter langen Riss in der Leitung des Reaktors 2 mit Beton zu verschließen. Dieser Versuch scheiterte ebenso wie der Einsatz einer Mischung aus Kunstharz, Zeitungspapier und Sägespänen. Tepco leitete weiter absichtlich schwach radioaktives Wasser in den Pazifik, um Platz für stärker belastetes Wasser zu schaffen.
Das radioaktiv verseuchte Wasser hat Auswirkungen auf den Lebensunterhalt der Fischer aus der Region um das Atomkraftwerk. In der betroffenen Provinz waren mehrere Fischer in See gestochen, kehrten jedoch bald darauf mit leeren Händen wieder zurück, als sie hörten, dass auf Tokios berühmten Fischmarkt Tsukiji und anderen Märkten Fänge aus der Region zurückgewiesen wurden, wie die "Yomiuri Shimbun" meldete. Regierungschef Yukio Edano erklärte am selben Tag, dass Fischer erste Schadensersatzgelder bekommen sollten.
Aktuelle Lage an den Blöcken
[1][Zusammenfassung] der Gesellschaft für Reaktorsicherheit (GRS) – Stand 5. April, 17:00 Uhr.
Block 2 Am 05.04.2011 um 15:00 Uhr wurde damit begonnen, Wasserglas in den Riss am Nebenkühlwasserbauwerk von Block 2 einzufüllen. Block 4 Am 03.04.2011 wurden von 17:08 Uhr bis 22:16 Uhr 180 t Frischwasser mit der Betonpumpe in das BE-Becken von Block 4 gepumpt. (TEPCO).
Kontamination der See Der Betreiber hat weitere Messdaten zur Kontamination von Meereswasser veröffentlicht (Abbildungen finden sich in der [2][grafischen Gesamtübersicht]). In einer Pressemitteilung vom 05.03.2011 weist TEPCO darauf hin, dass bis auf Weiteres nur Daten der Nuklide Jod-131, Cäsium-134 und Cäsium-137 bekanntgegeben werden. Messdaten weiterer Nuklide (auch derer, die bisher mit veröffentlicht wurden) befinden sich in einer erneuten Überprüfung. Die Messwerte zeigen Kontaminationen insbesondere für Jod-131 z. T. deutlich oberhalb der Genehmigungswerte.
1 Apr 2011
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