taz.de -- Urteil in Weißrussland: Fünf Jahre Haft für Oppositionsführer

Andrej Sannikow soll bei der Präsidentschaftswahl in Weißrussland "massive Unruhen" geschürt haben, sagt ein Gericht. Fünf Jahre Straflager sind die Folge. International wird das Urteil kritisiert.
Bild: Muss fünf Jahre ins Straflager: Oppositionsführer Andrej Sannikow.

MINSK afp | Der weißrussische Oppositionsführer Andrej Sannikow ist wegen seiner Beteiligung an den Protesten gegen die Präsidentschaftswahl im Dezember zu fünf Jahren Haft verurteilt worden. Ein Gericht in Minsk befand Sannikow schuldig, nach dem Urnengang "massive Unruhen" geschürt zu haben, wie aus dem Gericht berichtet wird. Deutschland, die USA und die Europäische Union kritisierten das Urteil scharf.

Sannikow muss seine Haftstrafe in einem Straflager verbüßen. Die Staatsanwaltschaft hatte am Freitag sieben Jahre Haft für den 57-Jährigen gefordert. Drei jüngere Mitangeklagte wurden zu je drei Jahren Haft verurteilt, ein vierter erhielt dreieinhalb Jahre.

Sannikow war bei der umstrittenen Wahl gegen den seit bald 17 Jahren autoritär regierenden Staatschef Alexander Lukaschenko angetreten. Laut offiziellem Ergebnis erhielt Lukaschenko fast 80 Prozent der Stimmen, Sannikow kam demnach auf 2,4 Prozent. Wegen seiner Teilnahme an einer Großkundgebung gegen die Manipulation der Wahl wurde Sannikow festgenommen und angeklagt.

Auch seine Ehefrau Irina Chalip, die als Journalistin für die russische Oppositionszeitung Nowaja Gaseta arbeitet, sowie viele andere Kandidaten der Opposition wurden wegen ihrer Protestteilnahme festgenommen. Insgesamt nahmen die weißrussischen Sicherheitskräfte an dem Tag rund 600 Demonstranten fest. Vier weitere Oppositionskandidaten stehen derzeit noch vor Gericht, einem fünften, Ales Michalewitsch, gelang die Flucht nach Tschechien.

Anklagepunkte "absurd" und "erfunden"

Sannikow hatte in seinem Schlussplädoyer am Freitag alle Anklagepunkte als "absurd" und "erfunden" zurückgewiesen. Dem Gericht warf er einen politisch motivierten Rachefeldzug vor. "Ich will all jene warnen, welche das Gesetz missachten, dass Ihr eines Tages selbst die Angeklagten sein und bestraft werdet." Er wolle sich weiter mit "friedlichen Mitteln" für einen politischen Wandel einsetzen.

Im Prozess gegen Chalip, in dem die Anklage zwei Jahre auf Bewährung gefordert hat, wird das Urteil am Montag erwartet. Chalip steht unter Hausarrest. Sannikow und Chalip haben einen vierjährigen Sohn. Sannikow rief nach der Urteilsverkündung: "Kümmert Euch um meine Nächsten!" Sein Schwiegervater rief ihm zu, er solle unbesorgt sein. Zuhörer riefen "Freiheit" und "Schande über die Regierung".

Sannikow hatte unter Lukaschenko als Vize-Außenminister gedient, war jedoch 1996 aus Protest gegen die Politik des Machthabers zurückgetreten. Anschließend hatte er die oppositionelle Bewegung und Nachrichtenseite Charter 97 gegründet.

USA: Urteil "politisch" motiviert

Das US-Außenministerium nannte das Urteil "politisch" motiviert und forderte die Freilassung aller politischen Gefangenen in Weißrussland. Auch Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) forderte die Führung in Minsk zur Freilassung der politischen Gefangenen auf. Er verurteile das Urteil "auf das Schärfste", erklärte Westerwelle. "In diesen Strafverfahren ist nicht Recht gesprochen, sondern der politische Wille von Präsident Lukaschenko vollstreckt worden."

Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton sprach ebenfalls von einem "politisch" motivierten Urteil, das sie "auf das Schärfste" verurteilte. Sie zeigte sich besorgt über Berichte über Folter und andere Misshandlungen von Oppositionellen und drohte der weißrussischen Regierung mit schärferen Sanktionen durch die Europäische Union.

15 May 2011

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