taz.de -- Energiekonzept der Bundesregierung: Atomkraft? Das war's!

Mit dem schnellen Ausstieg hat sich Umweltminister Röttgen gegen die FDP und Teile der Unions-Fraktion durchgesetzt. Die Frage ist nun: Wer profitiert? Und wer muss zahlen?
Bild: Bald nur noch technische Baudenkmäler? AKWs in Deutschland.

BERLIN taz | Joachim Pfeiffer ist wirtschaftspolitischer Sprecher der Unionsfraktion. Dort gilt er, wie der stellvertretende Fraktionschef Michael Fuchs, als Freund der Atomkonzerne. In der Fraktion ist er oft gegen Umweltminister Norbert Röttgen aufgetreten.

Viel zu teuer sei der Ausstieg, zu hastig, "volkswirtschaftlich nicht sinnvoll" und "kein Grund zum Feiern", sagte der Waiblinger Abgeordnete der taz. Doch eigentlich hat er bereits aufgegeben: "Es ist eben so, dass fast 80 Prozent der Bürger den Atomausstieg wollen", sagte er in breitem Schwäbisch. Mit der Niederlage der Pro-Atom-Fraktion hat er sich offenbar abgefunden. Nicht klaglos, aber vollständig. Auch die taz müsse sich nicht mehr sorgen, dass das Ende der Atomkraft nur vorläufig sei: "Die Messe ist gesungen." So klingt keine Kampfansage, die auf Revanche hofft, so rollen Geschlagene die Fahne ein.

Norbert Röttgen indes vibriert geradezu vor Freude. "Wer hätte gedacht, dass wir dies in drei Monaten schaffen?", jubelte er am Montag. Der Atomausstieg sei ein "Meilenstein" und ein "zentrales Projekt für Deutschland". Ein "gesellschaftlicher Kampfkonflikt" sei endlich gelöst worden. Dass Schwarz-Gelb vor ein paar Monaten diesen Konflikt erst wieder entfachte hatte, soll keine Rolle mehr spielen.

Kleine Erfolge der FDP

In der Tat hat sich Röttgen, der einen schnellen Ausstieg wollte, weitgehend durchgesetzt - vor allem gegen die FDP, die sich auf den letzten Metern als Ausstiegsskeptiker zu profilieren versucht hat. Acht AKWs werden nicht mehr angeschaltet, die anderen sukzessive, alle zwei Jahre eins, bis 2022 alle vom Netz genommen sind. Bei Bedarf soll eins von den acht stillgelegten AKWs als Reserve bis zum Jahr 2013 bereitstehen, was die FDP als einen ihrer wenigen Erfolg verstanden wissen möchte. Die Brennelementesteuer bleibt und wird die Energiekonzerne gut ein Milliarde Euro pro Jahr bis 2016 kosten. Das war "auch nicht mehr kriegsentscheidend", sagt Joachim Pfeiffer. Die FDP erhofft sich davon vage, dass so der Spielraum für Steuersenkungen vielleicht größer wird. Allerdings wird das Konzerngeld für die Renovierung des Atommülllagers Asse gebraucht.

Neben dem stufenweisen endgültigen Aus für die Atomkraft will Schwarz-Gelb den Anteil der erneuerbaren Energien auf 35 Prozent verdoppeln. Vor allem große Windkraftanlagen im Meer sollen Strom für die Industrie in Süddeutschland liefern. Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) rechnet nur mit moderaten Preissteigerungen von etwa einem Cent pro Kilowattstunde. Das sind, so Rösler, für eine vierköpfige Familie Mehrkosten von 40 Euro im Jahr. Allerdings werden die normalen Stromverbraucher über Umwege künftig noch mehr Firmen subventionieren: Rund 4.000 mittelständische Unternehmen sollen Hilfen bei steigendem Strompreisen bekommen - bis zu maximal 500 Millionen Euro im Jahr.

Bau von Stromtrassen forciert

Die Richtung der schwarz-gelben Energiewende ist klar: Man setzt auf Gaskraftwerke und großtechnologische Offshore- Windparks. Bis 2020 müssen bis zu 4.500 Kilometer neue Stromleitungen gebaut werden, vor allem von Nord nach Süd. Deshalb werden Planung und Bau von Stromtrassen forciert. Statt zehn soll es nur noch vier Jahr dauern, für die Planung zeichnet künftig der Bund und nicht mehr die Länder verantwortlich.

Allerdings sollen dabei Bürgerbeteiligungsrechte nicht eingeschränkt, sondern ausgeweitet werden. Wie diese Wunder vollbracht wird, konnten am Montag die Minister Philipp Rösler und Peter Ramsauer (CSU) der Hauptstadtpresse allerdings nicht schlüssig darlegen.

Bauminister Ramsauer zufolge werden "70 Prozent der Energie in Gebäuden und beim Verkehr" verbraucht. Deshalb will Schwarz-Gelb die Wärmedämmung fördern, mit zinsgünstigen Krediten und steuerlicher Absetzbarkeit für energiesparende Sanierungen. Kosten: rund 3 Milliarden Euro.

Das ist, nach dem Atomausstieg, noch eine Rolle rückwärts für Schwarz-Gelb. Denn genau die Mittel für die energetische Gebäudesanierung hatte man 2009 als Erstes rabiat gekürzt. Eigentlich bleibt jetzt nur noch die gesenkte Mehrwertsteuer für Hoteliers. Wenn das auch noch kassiert wird, hat diese Regierung das Kunststück vollbracht, sich selbst zurückzunehmen.

6 Jun 2011

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Stefan Reinecke

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