taz.de -- Forderung nach Entschädigung: Theaterdonner der Atomkraft-Bosse
Die AKW-Betreiber wollen den Atomkompromiss nicht einfach so hinnehmen und drohen der Regierung mit Klage. Erfolgsaussichten? Gleich Null.
BERLIN taz | Die AKW-Betreiber drohen Klagen gegen den geplanten Atomausstieg an. Die Erfolgsaussichten sind allerdings nicht sehr hoch. Sie werden wohl nicht einmal moderate Entschädigungen erstreiten können.
Die Rücknahme der 2010 beschlossenen Laufzeitverlängerung schmälert zwar die Gewinne der Konzerne RWE, Eon, EnBW und Vattenfall um rund 22 Milliarden Euro. Diese Summe können sie aber auf keinen Fall einklagen. Das Grundgesetz schützt keine bloßen Gewinnerwartungen. Der Bundestag kann die Gesetze auch dann ändern, wenn dies Profitaussichten von Unternehmen schmälert.
Anders sieht es mit den Investitionen in die AKWs aus. Diese sind vom Grundrecht auf Eigentum geschützt, weshalb eine vorzeitige Abschaltung vermeintlich sicherer Anlagen zu Entschädigungsansprüchen führen könnte. Um solche Ansprüche zu vermeiden, hatte Rot-Grün 2002 den Konzernen großzügige Restlaufzeiten gewährt. Nach 32 Jahren sollten die Investitionen amortisiert und ein angemessener Gewinn erwirtschaftet sein.
AKW-Betreiber fürchten schlechten Absatz für Reststrom
Auch die Regierung Merkel geht nun davon aus, dass bei einer "Regellaufzeit" von 32 Jahren die Rechte der AKW-Betreiber ausreichend gewahrt sind. Wenn ein AKW nach dem neuen Atomgesetz vorzeitig stillgelegt werden muss, könne die Reststrommenge auf andere AKWs übertragen werden.
Die Betreiber befürchten nun, dass sie für manche Reststrommenge keinen Abnehmer mehr finden oder nur einen schlechten Preis erhalten können. Ob das stimmt, muss sich erst noch zeigen - und selbst dann folgt daraus nicht automatisch ein Entschädigungsanspruch. Schließlich war die Gewährung von 32 Betriebsjahren ein großzügiges Angebot von Rot-Grün.
Ein Gutachten des Wuppertal-Klima-Instituts kam 2000 zum Schluss, dass sich die AKWs bereits nach 27 Jahren amortisiert und mit einem Gewinn verzinst haben, der der Rendite öffentlicher Anleihen entspricht. Es ist also noch viel Spielraum für eine entschädigungsfreie Stilllegung von AKWs.
Eon-Chef Johannes Teyssen hat zudem mit Klage gedroht, weil die Regierung die Brennelementesteuer beibehalten will. Die Regierung hatte die neue Steuer 2010 aber offiziell gar nicht mit längeren Laufzeiten begründet. Letztlich wird es also eher um den Vorwurf gehen, dass Energie doppelt besteuert werde und dies gegen eine EU-Richtlinie verstoße. Gegen eine ähnliche Steuer in Schweden ist die EU aber nicht vorgegangen. Auch bei dieser Drohung handelt es sich also um Theaterdonner.
8 Jun 2011
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Nach Eon siegt jetzt RWE vor Gericht. Sie erhalten die Steuern auf Brennelemente zurück. Noch steht das Hauptverfahren aus. Dort könnte die Steuer ganz gekippt werden.
Die Atomlobby hat ihre PR-Leute losgelassen: Eine "Ökodiktatur" drohe uns. Die ist doch längst Realität! Und die Öko-Skeptiker treiben uns immer weiter in die Tyrannei.
Energieversorger schmeißen ihre Sommerfeste für Politiker, Bosse und Journalisten - wie jedes Jahr. Doch für wen lohnt sich die Energiewende am meisten?
"Irrtumsbereinigungsgesetz", "Willkommen im 21. Jahrhundert" – in der Plenardebatte zum Atomausstieg im Jahr 2022 hagelte es Oppositions-Kritik für Kanzlerin Merkel.
Mit dem schnellen Ausstieg hat sich Umweltminister Röttgen gegen die FDP und Teile der Unions-Fraktion durchgesetzt. Die Frage ist nun: Wer profitiert? Und wer muss zahlen?
Die Bundesregierung hat das Aus für die deutschen Atomkraftwerke beschlossen: Bis 2022 sollen alle Kraftwerke endgültig vom Netz - acht davon sobald der Bundestag zugestimmt hat.
Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin hat die Bundesregierung für ihre Atompolitik kritisiert. Sehenden Auges steuere man auf eine unsichere Situation zu. Auch die Atomkonzerne sind unzufrieden.
Der Atomausstieg gelingt voraussichtlich 2014, 2017 oder doch erst 2022? Ein Überblick über die Pläne und Ziele der Parteien, aus der Atomenergie auszusteigen.