taz.de -- Grenzkonflikt im Kosovo: Schießen statt reden
Die Gespräche zur zukünftigen kosovarisch-serbischen Grenzregelung sind nach den jüngsten Zusammenstößen von Serben und KFOR-Truppen vertagt worden.
SARAJEVO taz | Die Hoffnung auf ein Ende der Gewalt im von der serbischen Minderheit bewohnten Nordkosovo ist erneut arg gedämpft worden. Nach Angaben der internationalen KFOR-Truppen wurden am Dienstag nahe dem Grenzübergang Jarinje acht KFOR-Soldaten und sechs serbische Demonstranten verletzt.
Die Auseinandersetzungen begannen, als serbische Demonstranten die Räumung eines illegalen Grenzübergangs verhindern wollten, der von serbischer Seite geöffnet worden war. Hintergrund des Konflikts ist der Wunsch der Regierung Kosovos, die Kontrolle über die Grenzübergänge nach Serbien auch im Norden des Landes zu übernehmen, was auf Widerstand der lokalen serbischen Behörden und einem großen Teil der Bevölkerung führte.
Vorläufig haben internationalen KFOR-Truppen und die EU-Rechtsstaatsmission Eulex die Kontrolle an den beiden offiziellen Grenzübergängen übernommen. Das soll Schmuggel unterbinden.
Nach serbischen Angaben sollen die KFOR-Soldaten mit scharfer Munition geschossen haben. Nach Presseberichten aus Kosovos Hauptstadt Prishtina waren die KFOR-Soldaten zuvor von serbischer Seite mit Feuerwaffen beschossen und mit einer selbstgebastelten Bombe angegriffen worden.
Der Sprecher der Eulex-Mission, Nicholas Hawton, erklärte, am Dienstagmorgen hätten Eulex und KFOR eine Aktion durchgeführt, um einen illegalen Grenzübergang nahe dem offiziellen Grenzübergang Jarinje zu schließen. Die Aktion ging demnach zunächst ohne Zwischenfälle vor sich, bis ein Fahrzeug den Grenzübergang mit Gewalt durchbrechen wollte.
Eskalation der Gewalt
Dabei wurde ein KFOR-Soldat verletzt. Eine andere Person hätte versucht, einem Soldaten der KFOR das Gewehr zu entreißen. Dieser warnte, er würde schießen, wenn der Angreifer nicht von ihm abließe. Als das nicht geschah, verletzte er den Angreifer. Danach eskalierte die Lage.
Nach diesen Vorfällen sind die von der EU unterstützten Verhandlungen zwischen Kosovo und Serbien bis auf Weiteres abgesagt worden. Nach Angaben von EU-Unterhändler Robert Cooper war die serbische Seite am Mittwoch nicht zu neuen Gesprächen bereit.
In der Nacht zum Mittwoch beruhigte sich die Lage an der Grenze wieder. Doch politische Beobachter gehen von weiteren Zusammenstößen aus, da die Regierung in Belgrad keine eindeutige Position zu den Vorfällen habe.
"Die serbische Regierung ist in der Frage Nordkosovos gespalten. Deshalb gelingt es ihr nicht, die radikalen Serben Nordkosovos zu kontrollieren", hieß es aus diplomatischen Kreisen in Prishtina.
28 Sep 2011
AUTOREN
ARTIKEL ZUM THEMA
Bei der Räumung einer Straßensperre im Nordkosovo wurden zwei KFOR-Soldaten angeschossen. 30 Serben erlitten Verletzungen durch Tränengas und Gummigeschosse.
Der Chefunterhändler der serbischen Regierung in Belgrad, Borko Stefanovic, über die Bedingungen zur Rückkehr an den Verhandlungstisch.
Die internationale Friedenstruppe KFOR räumt serbische Barrikaden im Norden des Kosovo. Die Kosovo-Serben fühlen sich überrumpelt und sprechen von Zwangsintegration.
Die Schutztruppe KFOR hat im Nordkosovo damit begonnen, von Serben errichtete Barrikaden zu zerstören. Gegen Bewacher der Straßensperren wurde Tränengas eingesetzt.
Die Aussicht auf auf eine Annäherung an Europa wird in Belgrad mit Zurückhaltung aufgenommen. Die Bedingungen hinsichtlich des Kosovo empfinden viele als Demütigung.
Teile des Nord-Kosovo sind ohne Kontrolle durch Prishtina. Nun hat die internationale Gemeinschaft trotz der Proteste serbischer Kosovaren zwei Grenzposten übernommen.
Im Kosovo haben Serben erneut Straßensperren errichtet. Sie wollen verhindern, dass die Regierung die Grenzposten kontrolliert. Die hält aber an ihren Plänen fest.
Bundeskanzlerin Merkel fordert von Belgrad mehr Fexibilität in der Kosovo-Frage. Doch Präsident Boris Tadic bleibt hart und mag keine Zugeständnisse versprechen.
CDU-Balkanexperten kritisieren Merkels "Inkonsequenz". Berlin schwebt für das Verhältnis Serbiens zum Kosovo so etwas wie der BRD/DDR-Grundlagenvertrag vor.