taz.de -- Staatskritischer Aktivist in Haft: Das Gewissen des Senegal
In Senegal gilt Tine als überparteilicher Mahner. Seit Samstag sitzt er in Polizeigewahrsam, weil er die Proteste gegen Staatschef Abdoulaye Wade anführt.
BERLIN taz | Wenn es um die Verurteilung von Menschenrechtsverletzungen in Afrika geht, steht der Senegalese Alioune Tine oft an vorderster Front. Jetzt könnte der Präsident der Afrikanischen Vereinigung zur Verteidigung der Menschenrechte (RADDHO) sich selbst gut brauchen: Seit Samstag sitzt er in Polizeigewahrsam, weil das von ihm geführte zivilgesellschaftliche Bündnis "M-23" die Proteste gegen eine erneute Kandidatur des 87-jährigen Staatschefs Abdoulaye Wade zu den Wahlen Ende Februar anführt.
Der Literaturprofessor Tine gehört zu jener Schicht panafrikanisch denkender senegalesischer Intellektueller, die die Hauptstadt Dakar zum unangefochtenen Zentrum des politischen Denkens im frankofonen Afrika gemacht haben. Als Student tat er sich 1987 mit Kommilitonen aus dem benachbarten Mauretanien zusammen, wo nach einem Putschversuch mehrere Hinrichtungen drohten.
Studenten aus anderen damaligen Militärdiktaturen wie Benin, Mali, Burundi kamen hinzu. Zusammen gründeten sie das Netzwerk RADDHO. Offiziell wurde die Organisation mithilfe von Amnesty International 1990 ins Leben gerufen, als eine Diktatur nach der anderen von Massenprotesten zur demokratischen Öffnung gezwungen wurde.
Seinen grenzüberschreitenden Charakter hat RADDHO nie verloren, was es vor allem Alioune Tine zu verdanken hat, der es seit 1998 führt, neben seiner Tätigkeit als Hochschullehrer. Besonders engagiert er sich im Kampf gegen die Todesstrafe. Entschieden setzt er sich auch dafür ein, den seit 1990 im senegalesischen Exil lebenden Exdiktator von Tschad, Hissène Habré, endlich vor Gericht zu bringen.
In Senegal gilt Tine deswegen als überparteilicher Mahner. Doch sein politisches Engagement im Vorlauf der Wahl scheidet die Geister. "Herr Professor" (auf Deutsch) beschimpfen ihn Gegner in der Opposition, regierungstreue Medien nennen ihn "Schiedsrichter, der selber mitspielen will". Tine selbst nannte die erneute Kandidatur von Präsident Wade zuletzt eine "Kampfansage an den Frieden, die Vernunft und die Republik". Kein Wunder, dass er jetzt hinter Gittern sitzt.
30 Jan 2012
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