taz.de -- Was kommt nach dem Annan-Plan?: Kein Plan B in Reserve

Ist der Kofi-Annan-Plan gescheitert, müssten sich die fünf UN-Vetomächte eigentlich neu einigen. Doch danach sieht es derzeit gar nicht aus.
Bild: Ein Ende der Kämpfe ist noch nicht in Sicht.

GENF taz | Am Dienstag lief die Frist aus. Ist der 6-Punkte-Plan des gemeinsamen Vermittlers von UNO und Arabischer Liga, Kofi Annan, damit bereits endgültig gescheitert? Der erste Punkt – der vollständige Rückzug der syrischen Streitkräfte aus den städtischen Protesthochburgen des Landes – ist nach allen vorliegenden Informationen jedenfalls nicht fristgemäß erfolgt.

Offiziell wollte bei der UNO diese Frage am Dienstag noch niemand beantworten. Eine erste Lagebewertung wird von dem Brief erwartet, den Annan nach Angaben seines Genfer Sprechers noch Dienstagabend an den Sicherheitsrat in New York übermitteln wollte.

Dabei steht der Vermittler und ehemalige UNO-Generalsekretär vor demselben Dilemma wie das gesamte UNO-System: Er verfügt über keine unabhängigen Instrumente zur Verifikation, ob und wie weit Vereinbarungen von der einen und/oder anderen Konfliktpartei eingehalten wurden oder nicht.

Daher ist die UNO vollständig auf die Erkenntnisse angewiesen, die gewichtige Mitgliedsstaaten mit ihren jeweiligen nationalen Aufklärungsinstrumenten gewonnen und an die UNO weitergegeben haben – mitsamt der Möglichkeit einer Selektion oder gar Verfälschung.

Die US-Regierung unterstützt unter Berufung auf eigene Satellitenerkenntnisse die Behauptung der syrischen Opposition, wonach die Regierungsstreitkräfte die Kampfhandlungen auch gestern unvermindert fortsetzten.

Russen und Chinesen widersprechen dieser Darstellung zwar nicht diametral, verweisen aber auf den zumindest „begonnenen Rückzug“ der Streitkräfte aus einigen Dörfern und ländlichen Regionen, von dem auch die syrische Regierung spricht.

UNO-Diplomaten aus Moskau und Peking machen keinen Hehl mehr aus der wachsenden Ungeduld ihrer Regierungen mit dem Regime Assad. Und sie deuten zumindest die Bereitschaft an, im Sicherheitsrat über die im Konsens mit den drei westlichen Vetomächten USA, Frankreich und Großbritannien verabschiedete Erklärung vom 21. März hinauszugehen.

Was könnte das konkret heißen? Welcher Alternativplan für Syrien steht im Raum? Wäre eventuell sogar eine gemeinsam von den fünf Vetomächten beschlossene und mit eigenen Truppen umgesetzte Blauhelmmission in Syrien vorstellbar, um das Blutvergießen zu beenden und die humanitäre Versorgung der notleidenden Bevölkerung zu ermöglichen?

Auf diese Fragen gibt es – noch – keine Antworten.

10 Apr 2012

AUTOREN

Andreas Zumach

TAGS

Schwerpunkt Syrien
Schwerpunkt Syrien
Schwerpunkt Syrien
Schwerpunkt Syrien
Schwerpunkt Syrien
Schwerpunkt Syrien
Schwerpunkt Syrien
Schwerpunkt Syrien
Schwerpunkt Syrien
Schwerpunkt Syrien
Schwerpunkt Syrien

ARTIKEL ZUM THEMA

Waffenruhe in Syrien: Tote und viele Zweifel

Es ist die erste große Bewährungsprobe für die Feuerpause: Tausende gingen in Syrien auf die Straße. Mindestens elf Menschen wurden getötet, und die Zweifel am Friedensplan bleiben.

Syrische Flüchtlinge in der Türkei: Ausharren im Plastikzelt

Bislang ist die Waffenruhe in Syrien nicht mehr als eine kleine Atempause. Die Flüchtlinge trauen dem Frieden nicht. Sie harren weiter in den Nachbarländern aus.

UN wollen Beobachter nach Syrien schicken: Lage ist „relativ ruhig“

Kofi Annan ist vorsichtig optimistisch, was den Waffenstillstand in Syrien angeht. Laut der oppositionellen Freien Armee gehen die Razzien gegen mutmaßliche Regimegegner weiter.

Gewalt in Syrien: Waffen schweigen, Armee bleibt

Nach Ablauf der Frist für eine Waffenruhe kommt es nur noch vereinzelt zu Gewalt. Die Opposition bleibt skeptisch. Denn für einen Abzug gibt es zunächst keine Anzeichen.

Friedensplan für Syrien: Annan gibt noch nicht auf

Die syrische Regierung kündigt an, die Militäraktionen einzustellen, hält sich aber eine Hintertür offen. Der UN-Sicherheitsrat äußert seine Bedenken.

Annans Friedensplan für Syrien: Warten auf Donnerstagfrüh

Kofi Annan hofft noch immer, dass die Waffenruhe in Syrien eingehalten werden wird. Eine Bewaffnung der Rebellen hielte er für „desaströs“. Indes wird weiter gekämpft.

Friedensplan Kofi Annans für Syrien: Der zweifelhafte Waffenstillstand

Die Rebellen erklären den Plan von Kofi Annan für gescheitert, Truppen scheinen weiter mit Panzern präsent zu sein. Die Weltgemeinschaft steht vor der Frage: Was kommt jetzt?

Schüsse auf türkischen Gebiet: In der Zwickmühle

Nach Schüssen an der syrischen Grenze steht der türkische Präsident Erdogan weiterhin unter Druck. Derweil fliehen immer mehr Menschen in die Türkei.

Kommentar Syrien: Der Krieg wird blutiger

Es ist eine bittere Bilanz: Der Krieg in Syrien wird immer brutaler, die Opferzahlen steigen. Und jetzt, nachdem der Annan-Plan gescheitert ist, wird noch härter gekämpft.

Frist für Waffenruhe in Syrien hat begonnen: Assad lässt weiter schießen

Die Truppen des syrischen Präsidenten Assad gehen weiter mit Gewalt gegen Oppositionelle vor. Für die Umsetzung der Waffenruhe gibt es keine Anzeichen.

Mögliche Waffenruhe in Syrien: Was danach passiert, ist Geheimsache

Die Rebellen der Free Syrian Army misstrauen einem möglichen Waffenstillstand ab dem 10. April. Eine Reportage aus der türkisch-syrischen Grenzstadt Antakya.

UN-initiierte Waffenruhe in Syrien fraglich: Assads Regierung spielt auf Zeit

Am Dienstag endet die Frist für eine Waffenruhe in Syrien. Doch die Hoffnung ist gering, die Assad-Regierung pokert. Am Osterwochenende gab es wieder Kämpfe mit über 200 Toten.