taz.de -- Salafisten-Gruppen in Deutschland: Die Radikalen unter den Radikalen

Drei Salafisten-Gruppen sind in Deutschland unter Druck der Behörden: „Millatu Ibrahim“ ist verboten, gegen „Die Wahre Religion“ und „Dawa FFM“ wird vereinsrechtlich ermittelt.
Bild: Seine Gruppe steht unter Beobachtung der Behörden: Ibrahim Abou-Nagie, Vorsitzender des Vereins „Die wahre Religion“.

Millatu Ibrahim: Die nun verbotene Splittergruppe, zu deren hartem Kern 14 Männer und Frauen gerechnet wurden, existierte erst seit Herbst 2011. Schon der Name „Millatu Ibrahim“ weist auf ihre Radikalität hin: so hieß ein Buch des einflussreichen Dschihad-Ideologen Abu Muhammad al-Maqdisi. Die Gruppe verehrte auch den einstigen Ideologen der al-Qaida im Jemen, Anwar al-Awlaki.

Nach einer provokanten Kundgebung Rechtsextremer in der Nähe der Millatu-Ibrahim-Moschee in Solingen war es dann am 1. Mai zum ersten Mal zu salafistischer Gewalt auf der Straße gekommen - als „aufhetzender Wortführer“ soll ein Prediger der Gruppe laut Innenministerium dort aufgetreten sein.

##

Bekannt geworden ist die salafistische Gruppe „Die Wahre Religion“ um den ehemaligen Kölner Geschäftsmann Ibrahim Abou Nagie in den vergangenen Wochen, als sie den Koran in mehreren Orten Deutschland kostenlos verteilte. Experten werteten dies als Versuch einer radikalen Minderheit, „den Islam“ in Deutschland zu kapern.

Dabei vertritt „Die Wahre Religion“ ein ultrareaktionäres Islamverständnis. „Ungläubigen“ prophezeit Abou Nagie die Hölle. Die Todesstrafe für Homosexuelle rechtfertigt er mit den Worten: „Wir Muslime müssen uns schützen.“ Andere Prediger der Gruppe propagieren den bewaffneten Kampf in Afghanistan und preisen den Märtyrertod.

##

Die Frankfurter Gruppe „Dawa FFM“ um den Prediger Abdellatif Rouali ist stark missionarisch aktiv („Dawa“ heißt „Ruf zum Islam“). Geschickt betreibt sie Jugendarbeit, organisiert Fußballturniere und Grill-Events im Park. Laut Innenministerium erklärt sie jedoch andere Religionen für minderwertig und ruft dazu auf, diese zu bekämpfen.

Als Beleg für den radikalisierenden Einfluss ihrer Botschaften wird vom Innenministerium das Beispiel von Arid Uka, dem Frankfurter Flughafenattentäter vom März 2011 genannt. Der hatte sich neben vielen anderen salafistischen und dschihadistischen Vorträgen auch die des Dawa-FFM-Predigers Rouali angehört.

14 Jun 2012

AUTOREN

Wolf Schmidt
Wolf Schmidt

TAGS

„Islamischer Staat“ (IS)
Salafisten
Koran
Razzia
Salafisten

ARTIKEL ZUM THEMA

Kommentar Verbot von Salafistenverein: Es trifft die Richtigen

Wer islamistischen Terror bekämpfen will, muss auch dort ansetzen, wo die Radikalisierung beginnt. Wie jetzt beim Verein „Die Wahre Religion“.

Vereinsgesetz in Deutschland: Religionsprivileg gilt nicht mehr

Seit 15 Jahren können Vereine mit religiöser Zielsetzung verboten werden, wenn sie die Sicherheit gefährden. Auf „Die wahre Religion“ trifft das zu.

Porträt Ibrahim Abou Nagie: Der Strippenzieher

Abou Nagies Verein „Die wahre Religion“ steht im Mittelpunkt der jüngsten Großrazzia. Der Salafisten-Prediger studierte in Deutschland.

Salafistenvereine verboten: „Oh Allah, zerstöre sie“

Der Innenminister verbietet drei salafistische Vereine. Einen Teil der Szene könnte das weiter radikalisieren. Im Netz beschimpfen sie den „Verfassungsschmutz“.

Salafismus unter Jugendlichen: „Nicht kompatibel mit Demokratie“

Warum werden junge Menschen Salafisten? Das muss überhaupt noch erforscht werden, sagt der Islamwissenschaftler Rauf Ceylan.

Ex-Leibwächter von Bin Laden: Bochumer Salafist empört CDU

In NRW sorgt der Fall eines Ex-Leibwächters von Osama bin Laden für Empörung. Die Bundesanwaltschaft hatte bereits 2006 gegen ihn ermittelt und das Verfahren eingestellt.

„Islamisten-Checkliste“ in Niedersachsen: Gute Muslime haben dick zu sein

Eine „Islamisten-Checkliste“ des niedersächsischen Innenministers sorgt für Aufruhr. Darin werden Gewichtsverlust, lange Reisen oder Reichtum als Indizien für Extremismus aufgelistet.

Streit der Woche: „Feinde, die Freiheit beseitigen wollen“

Innenminister Friedrich warnt vor Salafisten: Jeder islamistische Terrorist habe Kontakt zu ihnen gehabt. Die Leiterin des Berliner Verfassungsschutzes warnt vor Pauschalisierungen.

Freitagsparties unerwünscht: Taliban attackieren Ausflugshotel

Es ist ein beliebter Ausflugsort vor den Toren Kabuls. Vor allem reiche Afghanen verbringen dort Zeit. Den radikal-islamischen Taliban ist das ein Dorn im Auge. Sie greifen an.

Innenminister verbietet salafistische Gruppe: Staat macht Bin-Laden-Fanclub dicht

Der Innenminister verbietet erstmals eine salafistische Gruppe, zwei weitere Verbote könnten folgen. Die Polizei durchsucht Wohnungen in sieben Bundesländern.