taz.de -- Kolumne Ostwärts Immer: Petrus hält zur DFB-Elf
Dauerregen an der polnischen Ostseeküste. Die seltenen Regenpausen nutzt man hier nur zu einem Zweck: Endlich mal trocken von A nach B kommen.
Es ist an der Zeit, etwas über das Wetter zu sagen. Der Wetterbericht gehört zu jedem großen Turnier. Bei der Weltmeisterschaft 2006 war das Wetter so toll, dass es die Erzählung vom Sommermärchen begünstigte. Bei der Europameisterschaft 2012 ist das Wetter überhaupt nicht toll. Es regnet ständig, jedenfalls an der Ostseeküste. Es hat wie aus Eimern gegossen, und gewittert wie am Äquator hat es auch.
Einmal habe ich mich für eine Stunde unter einen Baldachin retten müssen, um nicht fortzuschwimmen in der Sintflut. Ich studierte spektakuläre Blitze und hörte tiefes Grollen über dem Meer. Ich redete mir ein, der Baldachin funktioniere auch als faradayscher Käfig und ich wäre gegen Blitzeinschlag geschützt. Aber sicher war ich mir nicht.
Die seltenen Regenpausen nutzt man hier nur zu einem Zweck: Endlich mal trocken von A nach B kommen. Die Touristen können einem echt leidtun. Die Ostsee ist viel zu kalt, um hineinzusteigen (was natürlich ein paar Verwegene nicht davon abhält, es trotzdem zu tun). Warum ich eine Badehose und Sonnencreme dabei habe, weiß ich nicht. Ich hätte mich vorher näher mit den Zoppoter Wetterkapriolen beschäftigen sollen.
Neidisch lese ich die Berichte des Kollegen Rüttenauer, der anscheinend täglich an den Kiewer Dnjepr-Strand geht und sich die Sonne auf die Plautze scheinen lässt. Keine Frage, die Ukraine ist ein Supersommerland. Das habe ich selbst erleben dürfen in Charkow und Lemberg. Während an der Ostsee 18 Grad gemessen wurden, erwarteten mich in Charkow 35 Grad. Ein Temperaturschock.
Diese EM hat nicht nur zwei verschiedene Gastgeber, sie hat auch zwei Klimazonen. Die Wetterscheide verläuft ziemlich parallel zu den Landesgrenzen. Wenn Oceana ihren EM-Hit „Endless Summer“ anstimmt, dann singt mindestens ein Kollege mit – allerdings wird das „Endless Summer“ zu einem „Endless Winter“. Das ist gar nicht so weit hergeholt, denn wenn man abends am Meer ein EM-Spiel am Fernseher verfolgen will, muss man viele Schichten anziehen.
Meinen Schirm habe ich letzte Woche in Danzig leider liegen lassen, weswegen ich noch nasser werde als vorher. Für die DFB-Elf ist das polnische Wetter von Vorteil. Sie schwitzen nicht so wie in der Ukraine. Das spart Kräfte. Das Viertelfinale fand in Danzig statt, und das Halbfinale steigt am Donnerstag in Warschau. Vielleicht liegt hier das Geheimnis des deutschen Erfolges begründet. Petrus scheint ein Fan der DFB-Elf zu sein.
26 Jun 2012
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Oleg, Tatjana, Andrej, Sascha – wie man Freunde findet, sie vergisst oder auch nicht.
Für die Polen war es kein Sommermärchen. Aber das ist egal. Auch ohne Fußball bleiben die Polen ein stolzes Volk.
Polen hat die EM schon längst abgehakt – die Fanmeilen sind leer. Trotzdem: Polen ist und bleibt ein Fußballland.
Der Bodenbelag im Warschauer Stadion hat den Belastungen der EM nicht standgehalten. Vor dem Halbfinale müssen noch mal die „grünen Architekten“ ran.
18 Euro kostet die Fahrt vom Flughafen in die Innenstadt. Und dann beginnt der Kampf darüber, wer korrupter ist – der Taxifahrer oder der Gast aus dem Westen.
Wer etwas über das Seelenleben der Nationalspieler wissen will, muss sich in einem Café auf die Lauer legen. Nur da hat man die Chance ein unfreiwilliger Zuhörer zu werden.
Den Po im Wasser und ein Bier in der Hand und plötzlich ist die Hitze in Kiew auszuhalten.
Die Spielerfrauen sind fester Teil der Nationalelfkarawane. Eine gilt als besonders nett, eine studiert BWL, eine ist sehr dünn – und der Star ist ein echtes Model.
Wladimir ist Fan von Dynamo Kiew und trinkfest. Dass er heute sogar friedlich neben einem Fan vom Sowjet-Erzrivalen Spartak Moskau sitzen kann, liegt an der EM.
Der Vollrausch verhindert den Ausflug in die Vergangeheit. Das passiert schnell: Ein Nullfünfer-Bier kostet 1,25 Euro.
Der Aufenthalt in Charkow mit ein bisschen Familienanschluss geht zu Ende. Zum Abschied gibt es eine kleine Geschenkeorgie. Und Bier.
Die irischen Turnierquartalstrinker haben der EM einen wunderbar emotionalen Moment geschenkt. Auch Polens Fans wollen würdevoll trauern, doch nicht allen gelingt das.
Motorblöcke hochziehen, Bankdrücken, Schluss mit den dünnen Berliner Büroarmen. Der EM-Reporter auf dem Weg zu einem richtigen ukrainischen Mann.
Spontaner High-Five-Handschlag und ein kameradschaftliches „Niemcy!“: Ein Treffen mit polnischen und ukrainischen Freunden Deutschlands.