taz.de -- Kommentar Waffenhandel: Es riecht nach doppelter Moral

Seit gut zwanzig Jahren dauert nun schon der Kampf, die Kontrolle des Waffenhandels auf die Tagesordnung der EU zu setzen. Jetzt ist es endlich soweit.

Heiße Wünsche der Friedensbewegung und vergleichbarer NGOs begleiten die deutschen Unterhändler, die heute in New York in die Verhandlungen um den Internationalen Waffenhandelsvertrag einsteigen.

Seit zwanzig Jahren kämpft die Zivilgesellschaft Seit’ an Seit’ mit wechselnden Bundesregierungen dafür, die Rüstungsexportkontrolle auf die UN-Tagesordnung zu schubsen. Jetzt ist es so weit.

In der Tat brauchen sich die EU und erst recht die Bundesrepublik dabei nicht zu verstecken. Gemessen an den Geschäften, die etwa die USA oder Russland so machen, sind die menschenrechtlichen Maßstäbe für europäische, insbesondere auch deutsche Ausfuhren strikt. Es hat auch mit Kolonialismus nichts zu tun, wenn Europäer nun verlangen, dass aufstrebende Industriestaaten sich beim Waffenexport demnächst in die Geschäftsbücher schauen lassen sollen.

Und doch riecht es ein wenig streng nach Doppelmoral, wenn Deutschland als größter europäischer Exporteur jetzt bei der UNO einreitet und höchste ethische Standards beim Waffenhandel verlangt.

Denn nicht etwa das tiefe Einvernehmen zwischen Regierung und Friedensbewegten über Gut und Böse ist ja der Grund für das gemeinsame Engagement. Es ist eher das Interesse der deutschen Rüstungsindustrie. Denn diese verlangt Gleichbehandlung: Wenn sich Rheinmetall, EADS und Krauss-Maffei Wegmann an die Rüstungsexportrichtlinien halten sollen, möge man der Konkurrenz im Ausland doch bitte auch endlich Restriktionen aufdrücken.

Wenn nun Waffengegner und Waffenhändler einmal dasselbe Ziel verfolgen, muss das nicht von Schaden sein. Es verrät bloß – wieder einmal – die Doppelbödigkeit der „wertegebundenen“ deutschen Außenpolitik.

1 Jul 2012

AUTOREN

Ulrike Winkelmann

TAGS

Schwerpunkt Syrien
Schwerpunkt Syrien

ARTIKEL ZUM THEMA

Gewerkschaften und Rüstungsindustrie: „Wir müssen umsatteln“

Es wird mit dem Waffenexport nicht mehr lange so weitergehen, sagt Jürgen Bühl von der IG Metall. Die Industrie müsse jetzt auf zivile Güter umsatteln.

Regeln für Waffenhandel: Alle Rüstungsexporte stoppen?

Deutschland verdient gut am Waffenhandel in andere Länder. Doch selbst legale Geschäfte laufen nicht immer wie gewünscht ab. Kritiker fordern scharfe Beschränkungen.

Verhandlungen über Waffenhandel: Berlin bereit zum Kompromiss

Die Bundesregierung will in den Verhandlungen zum internationalen Waffenhandelsvertrag die EU-Standards vertreten – ohne große Hoffnung auf deren Durchsetzung.

UN-Waffenhandelsvertrag: Unsichere Chancen

In New York beginnen die 193 UN-Mitgliedstaaten die Verhandlungen über den internationalen „Arms Trade Treaty“. Er kann an vielen offenen Streitfragen scheitern.

Kommentar US-Justizminister: So dumm und korrupt kann Politik sein

Waffen aus den USA finden ihren Weg zu Käufern in Mexiko. Doch statt den Waffenhandel zu kontrollieren, spricht der Kongress lieber dem Justizminister das Misstrauen aus.

Rüstungseigentümer zum Panzerdeal: „Der Protest hat noch Chancen“

Der Miteigentümer von Krauss-Maffei Wegmann, Burkhart von Braunbehrens, erfuhr aus der Presse vom Panzerdeal mit Saudi-Arabien. Nun will er ihn verhindern.

Abrüstung von Atomwaffen: Statt Taten nur Rhetorik

Statt zu verschrotten, modernisieren Kernwaffenstaaten ihre Arsenale. Das zeigt der Bericht des Friedensforschungsinstituts Sipri. Die Zahl der Friedenseinsätze stagniert.

Waffenexporte nach Syrien: Auf Russland ist Verlass

Schon die Sowjetunion war für den Assad-Clan wichtigster Waffenlieferant. Auch heute boomen die Rüstungsexporte Russlands nach Syrien.

Waffenkontrolle in den USA: Es kann jeden treffen

Colin Goddard überlebte einen Amoklauf. Seine eigene Geschichte machte ihn zum Gegner von Schusswaffen. Heute ist er Aktivist – mit gemäßigten Forderungen.

Deutsche Waffenexporte: Tote in Mexiko, Profite in Oberndorf

Der Rüstungsfirma Heckler & Koch wird vorgeworfen, illegalerweise Sturmgewehre nach Mexiko geliefert zu haben. Damit soll die Polizei StudentInnen erschossen haben.