taz.de -- EU will gegen Zinsmanipulierer vorgehen: Auch Bankern soll Gefängnis drohen

Die EU-Kommission will Zinsmanipulierer künftig mit hohen Geld- und Haftstrafen abschrecken. Die unterschiedlichen Regelungen in den EU-Mitgliedsstaaten bieten vielfältige Schlupflöcher.
Bild: Die Zinsmanipulationen bei Barclays haben gezeigt, das strengere Gesetze notwendig sind.

BRÜSSEL dapd | Nach dem Barclays-Skandal will Brüssel strenger gegen betrügerische Banker und Zins-Saboteure vorgehen: Wer Libor, Euribor oder andere für Finanzgeschäfte maßgebliche Referenzsätze manipuliert, soll dafür ins Gefängnis wandern können. Am Mittwoch will die EU-Kommission ihre im Oktober vorgestellte Gesetzesinitiative gegen Marktmissbrauch entsprechend ergänzen.

„Die jüngsten Skandale haben gezeigt, dass die Vorschläge auf dem Tisch nicht ausreichen, um Zinsmanipulationen zu verhindern“, so Kommissionssprecherin Pia Ahrenkilde-Hansen.

Über den modifizierten Vorschlag aus Brüssel müssen dann wieder die nationalen Regierungen und das Europäische Parlament beraten.

Libor und Euribor sollen widerspiegeln, wie viel Zinsen Banken für Kredite ihrer Konkurrenten zahlen. Inzwischen ermitteln aber verschiedene Behörden und Staatsanwaltschaften gegen große Banken, allen voran die britische Barclays, weil diese die Zinssätze jahrelang manipuliert haben sollen, um ihre echten Refinanzierungskosten zu verschleiern und auf Kosten privater Kunden zusätzliche Zinsgewinne einzustreichen.

Bislang unterscheiden sich die Rechtssysteme der 27 Mitgliedstaaten teils erheblich. In einigen Ländern dürfen die Behörden nicht im erforderlichen Umfang ermitteln, in anderen sind für manche Arten von Insidergeschäften und Marktmanipulationen gar keine strafrechtlichen Konsequenzen vorgesehen.

Drakonische Geldstrafen

Da Finanzgeschäfte längst grenzüberschreitend ablaufen, bieten sich betrügerischen Bankern so verlockende Schlupflöcher.

Der neue Brüsseler Vorschlag für die EU-Verordnung sieht vor, dass Geldbußen überall mindestens so hoch sein sollten wie der aus dem Marktmissbrauch geschlagene Gewinn, die Obergrenze muss mindestens doppelt so hoch sein. Für Übeltäter soll das maximale Bußgeld nicht unter 5 Millionen Euro liegen, bei Unternehmen ein Zehntel des Jahresumsatzes betragen.

Außerdem soll die Richtlinie dahingehend aktualisiert werden, dass Zinsbetrüger mit Gefängnisstrafen und einem Eintrag ins Vorstrafenregister rechnen müssen. Da es sich um eine Richtlinie und nicht um eine Verordnung handelt, würden die strafrechtlichen Konsequenzen jeweils von den einzelnen Mitgliedstaaten definiert werden.

23 Jul 2012

TAGS

Libor

ARTIKEL ZUM THEMA

Skandal um Leitzinssätze: Auf Kosten des Steuerzahlers

Auch öffentliche Banken sollen die privaten Leitzinssätze Libor und Euribor manipuliert haben. Strafen müsste also der Staat tragen.

Banken droht Gerichtstermin: Erste Sammelklage in Libor-Affäre

US-Hausbesitzer haben zwölf Großbanken verklagt. Die Geldhäuser sollen durch die Manipulation des Libor-Zinssatz die Hypothekenzinsen verteuert haben.

Libor-Skandal: Drei europäische Banken im Zentrum

Bei den Zinsmanipulationen im sogenannten Libor-Skandal konzentrieren sich die Ermittler vor allem auf drei Banken: die RBS, die Schweizer UBS und die britische Barclays.

EU-Kommission gegen Zinsmanipulation: Mindeststrafen für „Bankster“ gefordert

Brüssel zieht mit einer Richtlinie Konsequenzen aus dem Libor-Skandal. Es soll ein europaweites Mindeststrafmaß geben. In den USA rollt bereits eine Klagewelle.

Kommentar EU-Kommission: Abschaffen statt Haftstrafen

Euribor und Libor gibt es nur, weil die Zinsmärkte nicht wie Aktienmärkte funktionieren. Statt mit Haftstrafen für Zinssatzmanipulation zu drohen, sollten sie abgeschafft werden.

Ex-Manager gibt Fäschungen zu: Barclays Befehlsempfänger

Im Skandal um die Manipulation des Leitzinses Libor hat ein Ex-Manager der britischen Bank Barclays Fälschungen zugegeben. Die Weisung dazu kam scheinbar vom damaligen Chef.

Leitzins-Skandal: Die Prozente der Kronzeugen

Großbanken versuchen, dem Skandal um den manipulierten Leitzins Libor zu entkommen. Das US-Justizministerium bereitet derweil ein Strafverfahren vor.

Studie zur Transparenz: Banken viel zu zugeknöpft

Die Finanzbranche bekommt miese Noten bei Transparenzstudie. Auch deutsche Firmen haben Nachholbedarf. Sieger des Rankings: ein Ölkonzern.

Ermittlungen gegen Investmentbanken: Zinsaffäre erreicht Deutsche Bank

Bei den Ermittlungen wegen mutmaßlicher Zinsmanipulation könnten auf Deutsche-Bank-Chef Jain heikle Fragen zukommen. Auch die deutsche Finanzaufsicht wird aktiv.

Negativ-Rating für Barclays nach Skandal: Bankchef will nichts gewusst haben

Bob Diamond, ehemaliger Chef der Großbank Barclays, sagt, er habe von manipulierten Zinssätzen nichts gewusst. Die Agenturen senken ihre Bewertungen der Bank weiter ab.