taz.de -- Koalitionsstreit um Armutsbericht: Bloß keine Steuererhöhungen

Das Wirtschaftsministerium lehnt den Armutsbericht aus Ursula von der Leyens Arbeitsministerium ab. Armut soll keine Steuerhöhungen für Reiche rechtfertigen.
Bild: Streitende Koalitionäre: Philipp Rösler und Ursula von den Leyen.

BERLIN rtr | Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) sorgt mit ihrem Entwurf für den neuen Armuts- und Reichtumsbericht offenbar für Ärger in der Koalition. Das Wirtschaftsministerium verweigert dem Papier die Zustimmung, wie das Handelsblatt unter Berufung auf eine interne Stellungnahme aus dem Ressort von FDP-Chef Philipp Rösler berichtete.

Der aktuelle Berichtsentwurf sei „nicht ressortabgestimmt“ und entspreche daher „auch nicht der Meinung der Bundesregierung“, wird daraus zitiert. Das Wirtschaftsministerium wehre sich strikt dagegen, mit Daten über eine ungleiche Einkommens- und Vermögensverteilung Steuererhöhungen zu rechtfertigen. „Vor allem Forderungen nach höheren Steuern für die, die den Sozialstaat finanzieren, lehnt das Ministerium entschieden ab“, betont das Wirtschaftsministerium der Zeitung zufolge.

Röslers Ressort dringt demnach darauf, die positiven Trends stärker in den Vordergrund zu stellen. So hätten seit 2005 mehr als zwei Millionen Menschen eine Beschäftigung gefunden. Überdies sei der Anteil der Niedriglohnbeschäftigung seit 2007 rückläufig und zudem die Langzeitarbeitslosigkeit um 40 Prozent gesunken. „Dadurch hat sich die Lebenssituation einkommensschwacher Haushalte verbessert“, zitiert das Blatt aus der Stellungnahme des Wirtschaftsministeriums.

Die Bundesregierung veröffentlicht ihren Armuts- und Reichtumsbericht alle vier Jahre. Derzeit beraten die Ressorts darüber. Der Bericht soll dem Kabinett im November vorliegen. Der Entwurf war am Dienstag an die Öffentlichkeit geraten und hatte hohe Schwellen geschlagen. Demnach hat sich die Schere zwischen Arm und Reich in den vergangenen Jahren weiter geöffnet.

20 Sep 2012

TAGS

Arbeitslosigkeit
Armutsbericht
Armutsbericht

ARTIKEL ZUM THEMA

Arbeitslosigkeit im November: Jobmarkt im Seitwärtstrend

Die Zahl der Arbeitslosen ist zum zweiten Mal in Folge leicht gestiegen. Der Landkreistag befürchtet, dass sich der Trend noch verschärft.

Armuts- und Reichtumsbericht: Kränkende Schönfärberei

Die Regierung hat den Armutsbericht aufgehübscht: Kritische Sätze zur Ungerechtigkeit wurden gestrichen. Wie aber gelangt Erkenntnis zur Politik?

Regierung entschärfte Armutsbericht: „Ungleiche Verteilung“ gestrichen

Die Bundesregierung hat in ihrem Armutsbericht einige Passagen entschärft. In ihnen ging es um die Verteilung von Vermögen und ungleiche Lohnentwicklung.

Armut und Reichtum: Mehr Jobs, größere Ungleichheit

Die Ergebnisse des Berichts der Bundesregierung liegen vor: Trotz positiver Entwicklungen ist das Armutsrisiko ist seit 2005 gleich hoch geblieben.

Kommentar Armutsbericht: Umverteilen Richtung große Koalition

Philipp Rösler (FDP) ist empört über den Armutsbericht von Ursula von der Leyen (CDU). Das ist sogar logisch. Aber was heißt das schon in dieser Koalition?

Schulabgänger ohne Lehrstelle: Lernen in der Parallelwelt

Die Arbeitsagenturen stecken Schulabgänger ohne Stelle gern in Übergangsmaßnahmen. Die Kurse kosten Milliarden, einen Abschluss gibt es oft nicht.

Armut in Deutschland: Jedes siebte Kind lebt von Hartz IV

1,6 Millionen Kinder unter 15 Jahren sind auf Hartz-IV-Leistungen angewiesen. Ihr Anteil ist leicht gesunken. Die meisten armen Kinder gibt es in Berlin.

Kommentar Reichtumsverteilung: Klassenkampf von oben

In den USA gilt laut Mitt Romney: Wer arm ist, hat selbst schuld. Auch in Deutschland könnte mittelfristig ein Klassenkampf von oben einsetzen.

Armuts- und Reichtumsbericht: Reich und reich gesellt sich gern

Nein, nicht durchs Sparen, nicht durchs Lernen und auch nicht durchs Heiraten wird man reich. Die Eliten bleiben unter sich.

Bericht der Bundesregierung: Reiche werden reicher, Arme ärmer

Das Vermögen der Deutschen hat sich in den vergangenen 20 Jahren insgesamt verdoppelt. Aber das Geld gehört nur wenigen Familien.