taz.de -- Kommentar Verfassungsschutz: Schlecht gewartete Alarmanlage
V-Männer sind für den Verfassungsschutz, so wie er gedacht ist, unerlässlich. Aber schon die Bezeichnung ist falsch.
Sicherheitsphilosophisch gilt der Verfassungsschutz als Frühwarnsystem, dass Gefahren für die Demokratie rechtzeitig aufspüren soll. Bleibt man in diesem Bild, so sind V-Leute dabei eines der unverzichtbaren Relais, mittels deren die Ämter ihre Fühler gezielt justieren können, da die V-Personen selbst Bestandteil der potenziellen Gefahrenlage sind.
So weit die Idee, an der schon die Bezeichnung falsch ist. Denn das „V“ steht nicht für Verräter, sondern für Vertrauen – das Vertrauen nämlich, das ihm der Verfassungsschutz entgegenbringt. Mehr offenbar als in die eigenen Partner im Verbund des Inlandsgeheimdienstes und in die Polizei.
Wohin dies führen kann, zeigt sich derzeit auf erschreckende Weise im Skandal um das rechtsextremistische Mordtrio „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU). Reihenweise fliegen in diesem Zusammenhang V-Leute auf. Vor zwei Wochen noch war es ein ehemaliger V-Mann des Berliner Landeskriminalamts (LKA). Der Mann, der in dem Ermittlungsverfahren als Unterstützer geführt wird und der dem NSU nach eigenen Aussagen Sprengstoff geliefert hatte, war im Aktenkeller des LKA unter „rechtsradikale Musik“ [1][abgelegt und vergessen] worden.
Jetzt wird über [2][einen weiteren V-Mann berichtet], der jahrelang aus der NPD Report erstattet und dem NSU nebenbei die Mordwaffe zugesteckt haben soll. An ihn will sich plötzlich ein früherer Beamter des Bundesinnenministeriums erinnern. Falls es sich bewahrheitet: Warum erst jetzt? Seit Monaten beschäftigt die Republik nichts mehr als der Ermittlungsskandal um den NSU.
Genauer besehen bietet das angebliche Frühwarnsystem gegenwärtig eher das Bild einer schlecht gewarteten Alarmanlage. Wann die nächste Bombe im NSU-Minenfeld zündet, dürfte inzwischen nur noch eine Frage der Zeit sein.
26 Sep 2012
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