taz.de -- Kommentar Arbeitsmarkt: Geschönte Zustände

Was die Zahl 41,6 Millionen aussagt? Erst einmal nichts. Dass so viele Menschen wie noch nie Arbeit hatten, heißt noch lange nicht, dass sie auch davon leben können.
Bild: Ja, was? Ist die Krise.

Für die Eurozone zeichnen sich neue Hiobsbotschaften ab: Noch mehr Menschen werden 2013 ihren Arbeitsplatz verlieren. Schlichteren Gemütern mag da Trost spenden, dass für Deutschland nur ein geringer Anstieg der Arbeitslosenzahlen vorausgesagt wird.

Diese eher positive Prognose ist für Angela Merkel im Wahljahr Munition auf der Jagd nach Wählerstimmen. Es klingt ja auch toll: Noch nie waren hierzulande so viele Menschen – nämlich 41,6 Millionen – in Arbeit wie im Jahresschnitt 2012.

Doch was sagt die Zahl eigentlich aus? Erst einmal nichts. Es ist damit nämlich noch lange nicht gesagt, wie die Menschen arbeiten, ob sie von ihrem Lohn leben können, zufrieden sind mit ihrem täglichen Tun, dem Erhalt der Stelle vertrauen, ausreichend für die Rente vorsorgen können. Stellt man diese Fragen, kommt man zu anderen Einsichten.

Nämlich dass für viele Menschen solche Zustände unerreichbar geworden sind. Denn gewachsen ist in Deutschland nicht nur die Zahl der Erwerbstätigen, sondern auch die der atypisch Beschäftigten: Leiharbeit, unfreiwillige Teilzeit, befristete Stellen und 400-Euro-Jobs sind für immer mehr Menschen bittere Realität, der Lohn reicht nicht zum Leben aus.

SPD und Grüne könnten an dieser Realität ansetzen und klarmachen: Es muss anders laufen. In der Tat planen die Parteien Reformen, mit denen der Arbeitsmarkt gerechter werden könnte. Doch mit einer guten Programmatik lässt sich noch keine Wahl gewinnen.

Die beiden Parteien stecken in einem Dilemma. Nicht nur, weil Kanzlerkandidat Peer Steinbrück (SPD) sich immer noch schwertut, vollständig Abschied zu nehmen von der Agendapolitik. Sondern auch, weil diese Politik, von Rot-Grün losgetreten, die Zustände verführerisch schönt. Doch wenn irgendwo die Möglichkeit aufblitzt, endlich wieder vorausschauend Politik zu gestalten, statt kurzfristige und oberflächliche Erfolge als letzte Weisheit zu verkaufen, dann auf dem Arbeitsmarkt.

Leicht wird es nicht. Schließlich dürfte die offizielle Zahl der Arbeitslosen tatsächlich erst einmal steigen, wenn beispielsweise mehrere 400-Euro-Minijobs zu einer regulären Vollzeitbeschäftigung verschmelzen würden. Trotzdem wäre es der bessere Weg.

SPD und Grüne haben ernsthafte Pläne für eine neue Arbeitsmarktpolitik. Jetzt müssen sie sie auch überzeugend vertreten.

3 Jan 2013

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Eva Völpel

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