taz.de -- Kostenexplosion bei Großprojekten: Augen auf beim Flughafenkauf

Flughafen in Berlin, Elbphilharmonie in Hamburg, Bahnhof in Stuttgart: Wenn der Staat baut, wird es teuer. Das muss nicht sein. Fünf Tipps von Experten.
Bild: Groß, grau und teuer: Der noch-nicht-ganz-fertig-Flughafen BER.

1. Festpreis vereinbaren

Beispiel Berlin: Im Jahr 2007 hatte die Flughafengesellschaft ein einzigartige Chance. Per europaweiter Ausschreibung suchte sie einen Generalunternehmer, der das komplette Terminal des künftigen Hauptstadtflughafens baut – zum Festpreis. Es gab sogar mehrere Anbieter, alle wollten rund einer Milliarde Euro für den Bau. Der Vorteil: Bei Problemen wäre der Staat fein raus gewesen, dafür hätte dann der Bauunternehmer gehaftet.

Doch Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) lehnte alle Angebote ab. Der „horrende Preis“ sei aus wirtschaftlichen Gründen nicht vertretbar. Er ging davon aus, dass man das Gebäude auch für 620 Millionen Euro bauen kann. Also wurden viele Aufträge für Teilbereiche vergeben.

„Wer das macht, riskiert immer, dass es länger dauert und teurer wird“, sagt Dieter Faulenbach da Costa, der zahlreiche Flughafenprojekte mitplante und auch in Berlin in einer frühen Projektphase eingebunden war. Er warnte übrigens schon im Jahr 2007, dass das Terminal nicht für 620 Millionen Euro gebaut werden kann.

Der Nachteil bei vielen Aufträgen an einzelne Bauunternehmen: Jeder ist nur für seinen Teil zuständig, die Gesamtverantwortung und das Gesamtrisiko bleibt beim Staat. Das muss jetzt auch Berlin bitter lernen: Das Terminal muss in den nächsten Jahren saniert werden, noch bevor es in Betrieb gehen kann – auf Kosten der Eigentümer, nicht der Baufirmen. Auch die Schadensersatzforderungen der Fluglinien und Airport-Einzelhändler kann der Staat nicht abwälzen.

Das Terminal ist schon jetzt deutlich teurer geworden als die eine Milliarde Euro. Die Gesamtkosten bis zur Fertigstellung kann derzeit niemand absehen. Nur eins ist klar: Es wäre billiger gewesen, wenn Wowereit damals eines der Festpreis-Angebote angenommen hätte.

2. Erst planen, dann bauen

Beispiel Hamburg: Ursprünglich sollte die Stadt für die Elbphilharmonie 77 Millionen Euro zahlen. Die aktuelle Schätzung geht von mehr als 320 Millionen Euro aus. Ein Grund dabei: immer neue Änderungswünsche. Die Stadt hatte den Akustik-Experten Yasuhisa Toyota verpflichtet, der weltweit in Konzerthäusern für hervorragenden Klang gesorgt hat, zuletzt in Helsinki. Lange nach Baubeginn verlangte Toyota Umplanungen, etwa an der Decke.

„Wenn man nachträgliche Wünsche in einen Bauvertrag einbringt, dann ist das Risiko von Preissteigerungen immanent“, musste Dieter Peters, Geschäftsführer der städtischen Projekt-Realisierungsgesellschaft, im November vor dem Untersuchungsausschuss der Hamburger Bürgerschaft einräumen. Es sei ein Fehler gewesen, den Bauauftrag zu vergeben, bevor die Planung fertig war.

3. Erfahrung bündeln

Die meisten Politiker sind nur einmal in ihrem Leben für ein richtig großes Neubauprojekt wie einen Flughafen, eine Philharmonie oder einen Hauptbahnhof zuständig. Sie haben keine Möglichkeit, Erfahrung zu sammeln und es beim nächsten Mal besser zu machen. Flughafenplaner Dieter Faulenbach da Costa schlägt deshalb „eine zentrale Beratungsstelle für Auftraggeber und Planer“ vor – eine Einrichtung des Bundes, an die auch Kommunen und Länder sich wenden können.

4. Geschwindigkeitsprämie

Beispiel Autobahnsanierung: Ja, das gibt es wirklich, öffentliche Bauprojekte, die sogar schneller fertig werden als geplant. Die Berliner Stadtautobahn Avus ist so ein Fall: Im November wurde sie nach einer Vollsanierung wieder komplett für den Verkehr freigegeben – ein Jahr früher als geplant.

„Gutes Baustellenmanagement lohnt sich“, sagte Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU). Dank enger Abstimmung auf der Baustelle konnte zum Beispiel mit dem letzten Bauabschnitt schon begonnen werden, bevor der vorherige fertig war. Ein Grund für die Geschwindigkeit war wohl auch, dass der Bund eine Prämie versprochen hatte, wenn die Arbeitsgemeinschaft, die die Sanierung erledigte, schneller fertig wird: Eine Million Euro ging so an die Baufirmen.

5. Ehrlich planen

Beispiel Stuttgart 21: Gegen Überraschungen bei den Baukosten hilft auch, diese von Anfang an realistisch anzusetzen. Genau das ist in Stuttgart 21 nicht passiert – und zwar mit Absicht, analysiert Werner Rothengatter, emeritierter Professor für Wirtschaftswissenschaften in Karlsruhe: „Es ist bekanntlich eine schlechte Praxis der Projektplanung in Deutschland, die Projekte mit möglichst niedrigen Kostenschätzungen über die parlamentarischen Hürden zu bringen, um nach Baubeginn mit kräftigen Erhöhungen der Wahrheit näher zu kommen.“

10 Jan 2013

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Sebastian Heiser

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