taz.de -- Pferdefleisch-Skandal: Prüfen, aber kaum Konsequenzen
Bund und Länder beschließen wegen des Skandals um falsch gekennzeichnetes Pferdefleisch einen „Aktionsplan“. Er enthält aber wenig Konkretes.
BERLIN taz | Die Verbraucherschutzminister von Bund und Ländern nennen ihren Beschluss vom Montag zu Konsequenzen aus dem Pferdefleischskandal zwar „Aktionsplan“. Doch die meisten der zehn Punkte sind nicht konkrete Maßnahmen, sondern Prüfaufträge, die zunächst nichts an der geltenden Rechtslage verändern.
Dabei weitet sich der Skandal um als Rindfleisch gekennzeichnetes Pferdefleisch aus. Nach mehreren Supermarkketten ist inzwischen auch Aldi Nord betroffen. In „Tiefkühl Penne Bolognese 750g“ und „Gulasch 540 g Dose, Sorte Rind“ sei Pferdefleisch nachgewiesen worden, teilte der Discounter in Essen mit.
Das Gulasch sei von dem Lieferanten Omnimax aus Brandenburg. Es war aber unklar, ob auch dieses Pferdefleisch von der beschuldigten Firma Spanghero in Frankreich oder aus einer bisher unbekannten Quelle stammte. Real gab unterdessen bekannt, dass die zurückgerufenen Fertiggerichte vernichtet werden – schon weil sie, auch richtig gekennzeichnet, wohl unverkäuflich wären.
Der Aktionsplan sieht vor, dass Bund und Länder die Anforderungen an die Eigenkontrollsysteme der Lebensmittelunternehmen „überprüfen“. Hersteller und Händler beispielsweise sind schon jetzt verpflichtet, sicherzustellen, dass die Produkte in Ordnung sind. Dafür müssen sie auch kontrollieren – wie genau, ist aber oft nicht festgelegt.
Überprüft werden sollen den Ministern zufolge auch die Strafen und Bußgelder für Täuschung mit Lebensmitteln. Ebenso wollen sie analysieren, wie der Staat „Unrechtsgewinne“ aus solchen Geschäften abschöpfen könne.
Vorbild könnte das Kartellrecht sein. Für die falsche Deklaration von Zutaten, die nicht gesundheitsschädlich sind, ist bisher nur ein Bußgeld von bis zu 50.000 Euro vorgesehen – eine Summe, die zum Beispiel großen Discountern kaum wehtut.
Die Minister diskutierten auch, dass die Unternehmen künftig die Behörden bei relevanten Verstößen gegen Kennzeichnungspflichten informieren müssen. Doch selbst diesen Punkt wollen sie nur prüfen.
Bund und Länder unterstützen laut Aktionsplan, die Kennzeichnung der Herkunft von verarbeiteten Lebensmitteln auszuweiten. Details fehlen. Bisher müssen die Hersteller etwa bei Fertiggerichten nicht auf die Packung schreiben, woher das Fleisch darin kommt. Aber diese Vorschrift kann nur die EU ändern.
Abzuwarten bleibt, ob Bundesministerin Ilse Aigner (CSU) nun tatsächlich in Brüssel dafür kämpft. Bisher hatte sie sich immer gegen ähnliche Vorschläge ausgesprochen, etwa zur Herkunftskennzeichnung von Eiern in verarbeiteten Produkten.
Im Übrigen einigten sich die Minister darauf, bis Ende April mehr Fleischproben als von der EU empfohlen auf andere nicht deklarierte Fleischarten zu untersuchen. Das soll helfen, den aktuellen Skandal aufzuklären. Zudem sollen Produktrückrufe künftig auf einer zentralen Internetseite veröffentlicht werden.
19 Feb 2013
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