taz.de -- Buchmesse Leipzig: Schmelzende Umsätze

Ohne Moos nix los: Auch in Leipzig trauert die Branche den goldenen Zeiten hinterher. Und dabei wollen die Dinosaurier doch keine sein.
Bild: Print ist in allen Bereichen unter Druck und wird es bleiben.

LEIPZIG taz | Der Buchhandel ist nicht gut drauf. Zwar gehört Jammern notorisch zum Geschäftemachen dazu. Doch seit zwei, drei Jahren hat sich das Geraune über Krise und Umbruch verfestigt. Die Umsätze im – wie es so schön heißt – stationären Buchhandel sinken, der Marktanteil des Online-Buchhandels hingegen steigt und liegt nun bei fast 20 Prozent. Einen guten Teil dieses Umsatzes tätigt ein weltweit agierender Konzern, Amazon.

„Wer heute die als Dinosaurier belächelt“, sagt Gottfried Honnefelder, „die vor einer Monopolisierung der Buchkultur durch große Onlineanbieter warnen, denkt nicht weit genug.“ Honnefelder (geb. 1946), Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, gilt als Dinosaurier der Branche. Doch wer mag es ihm verdenken, dass er nicht zu einer aussterbenden Art zählen will?

Honnefelder sieht durch die neuen Online-Marktgiganten ein „weltweites Buchmonopol“ nahen und die Demokratie in Gefahr. Tatsächlich sind Marktveränderungen und Konzentrationen unübersehbar. Dennoch klingt es hilflos, wie Honnefelder zu seinem „Plädoyer für den stationären Buchhandel“ in Leipzig ansetzt.

Der stationäre Buchhandel sei „als Ort der Entdeckung, des Gesprächs von Lesern und Autoren, der Beratung“, als „Marktplatz“ und als „Weltmeister im Bestellservice“ unersetzbar. Ist er das? Die Wahrnehmung vieler Konsumenten (und auch die weniger stromlinienförmiger Verlage!) sieht anders aus. Sie wandern nicht aus Fiesheit zu den neuen Medien ab, sondern qua besserer Angebote.

Strategien der Misch-, Neben- oder Zusatzfinanzierung

Print ist in allen Bereichen unter Druck und wird es bleiben, bis sich der Markt nach dem Digitalisierungsschub neu formiert hat. Doch schon vor dem Angriff der digitalen auf die gedruckten Medien war der Kampf zwischen denen, die die Qualität produzieren, und jenen, die die Umsätze bringen, ein ungleicher. Es bedurfte für Qualitätsverlage immer schon ausgefuchster Strategien der Misch-, Neben- oder Zusatzfinanzierung.

Von Erlösen aus Titeln wie David Wagners „Leben“ (diesjähriger Preis der Leipziger Buchmesse in der Kategorie Belletristik) oder Klaus-Michael Bogdals „Europa erfindet die Zigeuner“ (Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung) können sie in der Regel nicht leben. Bücher wie „Europa erfindet die Zigeuner“ entstehen nur, weil sie Bestandteil einer jahrelangen, staatlich finanzierten Forschung sind.

Und ohne Preisgelder und Stipendien würden heute doch vor allem Fanatiker oder mit Freizeit gesegnete Vermögende Belletristik produzieren. Natürlich schmelzen derzeit die Umsätze im Printgeschäft. Hinter vorgehaltener Hand raunen die Verleger in Leipzig, mit wie wenig tausenden verkauften Exemplare man jetzt schon auf die Bestsellerlisten käme. Doch weniger verkaufte Bestseller, überhaupt ein paar weniger Bücher aus diesem Segment, ob mit oder ohne Amazon vertrieben, darunter muss nicht automatisch der Qualitätsmarkt leiden.

16 Mar 2013

AUTOREN

Andreas Fanizadeh

TAGS

Print
Online
Buchmarkt
Leipzig
Buchpreis
Verlagswesen
David Wagner
Literatur
Buch

ARTIKEL ZUM THEMA

„taz“ & Cohn-Bendit auf der Buchmesse: „Ich halte Parteien nicht aus“

Daniel Cohn-Bendit diskutiert im taz-Gespräch auf der Buchmesse mit dem Sozialpsychologen Harald Welzer Sinn und Unsinn von Parteien im 21. Jahrhundert.

„taz“auf der Leipziger Buchmesse: Schwule Mädchen und die falsche Seife

Grundeinkommen, Midlifecrises und Fuck-Buddies: Marina Weisband, Eva Menasse und Martin Reichert stellen ihre Bücher am taz-Stand vor.

„taz“ auf der Leipziger Buchmesse 2013: Spreewaldgurken und Weizenbier

Der Schriftsteller Jakob Hein erklärt am taz-Stand, warum man seinem Ding keinen Mädchennamen gibt, und Waldi Hartmann hält Jogis Jungs für Waldorfschüler.

Sachbuch zur Buchmesse: Alle deine Gesichter

Der Kunsthistoriker und Medientheoretiker Hans Belting hat die erste Geschichte des Gesichts geschrieben. Es wurde daraus ein Plädoyer fürs Kulturprodukt.

Kolumne Blicke: Der Preis des Schreibens

Die deutsche Literatur ist üppig subventioniert. Wer was vom Kuchen abhaben will, zahlt mit Erniedrigung. Aber es geht auch anders.

Buchmessenpreis an David Wagner: Weiterleben als Fiktion

„Den eigentlichen Preis habe ich schon bekommen.“ Das sagte David Wagner in seiner Rede zur Verleihung des Preises der Leipziger Buchmesse. Ein Favoritensieg.

Neue Bücher Finanzkrise zur Buchmesse: Flüchtiger Schmierstoff der Wirtschaft

Die Finanzkrise hat bestätigt: Das Kapital ist ein scheues Reh. Und ein dankbares Thema für die neuen Romane von Sascha Reh und Jonas Lüscher.

„Leben“ von David Wagner: Einmal Unterwelt und zurück

David Wagner bekommt den Preis der Leipziger Buchmesse – für den Roman „Leben“. Das Buch ist das poetische Protokoll seiner Krankengeschichte.