taz.de -- Kommentar Serbien und Srebrenica: Viel Lärm um Nichts

Serbiens Präsident soll sich für die Verbrechen von Srebrenica entschuldigt haben. Doch das ist eine oberflächliche und falsche Lesart.
Bild: Rund 8.000 Männer und Jungen wurden von von den serbischen Truppen getötet.

„Serbiens Präsident Tomislav Nikolic entschuldigt sich für die Verbrechen im Bosnienkrieg“, meldeten am Donnerstag Nachrichtenagenturen. Von einer „Wende“ der serbischen Aufarbeitung des Krieges war die Rede. Der ehemalige Ultranationalist hätte endlich die Schuld Serbiens und der Serben und die Notwendigkeit der Sühne eingesehen. Man schrieb, wie der bosnische Politiker Bakir Izetbegovic bei seinem Belgrad-Besuch dem serbischen Präsidenten „erfolgreich ins Gewissen geredet“ hätte.

Alles übertrieben. Falsch und oberflächlich.

Den Medientrubel lösten Auszüge aus einem Interview des serbischen Präsidenten für den bosnischen TV-Sender BHT aus, das erst am 7. Mai ausgestrahlt werden soll. Darin leugnete Nikolic zunächst abermals, dass die Tötung von rund 8.000 Muslimen 1995 im bosnischen Städtchen Srebrenica ein Genozid sei, obwohl der Internationale Gerichtshof 2007 den Massenmord als Völkermord bezeichnet hat.

Das müsse erst „nachgewiesen“ werden, sagte Nikolic und meinte, alle Kriegsgeschehen im ehemaligen Jugoslawien hätten „Genozid-Merkmale“.

Erst danach kam die Entschuldigung, als die Journalisten auf der besonderen Ungeheuerlichkeit des Verbrechens in Srebrenica bestand: „Ich knie ja deshalb. Da knie ich eben. Und ich bitte um Gnade für Serbien wegen dem in Srebrenica begangenen Verbrechen. Und ich entschuldige mich für alle Verbrechen, die im Namen unseres Staates und unseres Volkes Einzelpersonen begangen haben“.

Was Nikolic sagte, klang nicht wie durchdachte Politik, als Ankündigung der Vergangenheitsbewältigung. „Ich entschuldige mich für alle Verbrechen“ ist lediglich ist eine politisch korrekte Phrase, die Brüssel vom Präsidenten Serbiens, das den Beginn der EU-Beitrittsverhandlungen ersehnt, erwartet.

Nikolic distanzierte sich nicht von seinem früheren Relativieren des Völkermordes in Srebrenica, er kündigte keine Maßnahmen an gegen „Mitglieder des serbischen Volkes“, die Kriegsverbrechen begangen haben. Seine Entschuldigung klang nicht besonders überzeugend. Sie war nicht das Ergebnis einer moralischen Kehrtwendung.

Nikolic hatte schon früher, als oppositioneller Ultranationalist, alle Kriegsverbrechen verurteilt. Heute, als proeuropäische Politiker, hat er das gleiche getan - und sich dabei noch entschuldigt, nach dem Vorbild seines Vorgängers Boris Tadic, und nachdem sich die Präsidenten Kroatiens und Montenegros für die Verbrechen ihrer Völker bereits entschuldigt haben.

Kostet ja alles nicht viel, und international bringt es politische Punkte. Von Vergangenheitsbewältigung, Aufarbeitung der Geschichte, kann jedoch keine Rede sein.

26 Apr 2013

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Andrej Ivanji

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