taz.de -- Syrien-Krieg: Erdogan geht von Giftgaseinsatz aus

Türkeis Ministerpräsident fordert eindringlich Maßnahmen seitens der USA. Derweil erwägen die Philippinen den Abzug ihrer UN-Soldaten von den Golan-Höhen.
Bild: Erdogan bei seiner Rede beim jährlichen Business Forum der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung in Istanbul

DAMASKUS afp | Angesichts des möglichen Chemiewaffeneinsatzes im syrischen Bürgerkrieg hat der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan die USA eindringlich zum Handeln aufgefordert. Die syrische Führung habe mit einem Giftgaseinsatz die von US-Präsident Barack Obama gezogene „rote Linie“ überschritten, sagte Erdogan am Freitag dem US-Fernsehsender NBC. Die Philippinen erwägen unterdessen wegen der Verschleppung von vier ihrer Blauhelmsoldaten den Abzug der Truppen vom Golan.

Erdogan erklärte, syrische Giftgas-Opfer seien in türkischen Krankenhäusern behandelt worden. Zudem gebe es Geheimdiensterkenntnisse über den Einsatz von rund 200 Raketen mit Giftgas. Die USA müssten nun „mehr Verantwortung“ übernehmen und „weitere Maßnahmen“ ergreifen. Wie diese konkret aussehen könnten, wolle er bei einem Treffen am 16. Mai mit Obama besprechen. Dass die syrische Opposition chemische Waffen eingesetzt haben könnte, bezeichnete er als unwahrscheinlich.

Zugleich sicherte Erdogan türkische Unterstützung für eine US-Flugverbotszone über Syrien zu. Nach Angaben seines Büros fordert Erdogan dafür ein UN-Mandat. Für eine US-Flugverbotszone wären Luftwaffenstützpunkte in der Türkei unerlässlich.

Auch Cameron sprach von Hinweisen auf Chemiewaffeneinsatz

Um die verfahrene Lage im Syrien-Konflikt ging es am Freitag auch bei einem Treffen zwischen dem britischen Premierminister David Cameron und Russlands Präsident Wladimir Putin in Sotschi, wie Kreml-Sprecher Dmitri Peskow erklärte. Cameron hatte zuletzt ebenfalls von Hinweisen auf einen Chemiewaffeneinsatz durch die syrische Führung gesprochen.

Nach der Verschleppung von vier philippinischen Blauhelmsoldaten auf den Golan-Höhen erwägt die Regierung in Manila derweil einen Abzug ihrer Truppen aus dem Gebiet. Außenminister Albert del Rosario erklärte am Freitag, er habe Präsident Benigno Aquino empfohlen, die mehr als 300 auf dem Golan stationierten Soldaten abzuziehen. Ein Präsidentensprecher erklärte, es sei noch keine Entscheidung gefallen.

Die vier UN-Soldaten waren am Dienstag von syrischen Rebellen verschleppt worden. Del Rosario erklärte, Manila wolle die eigenen Truppen nicht weiter gefährden. Erst vor zwei Monaten waren 21 Philippiner von der Rebellengruppe Jarmuk-Märtyrer-Brigade für vier Tage festgehalten worden. Die Rebellengruppe veröffentlichte derweil ein neues Video im Internet, in dem die vier Philippiner zu sehen sind. Die Männer wirkten in dem Video unverletzt.

UN-Syrien-Sondergesandte bleibt derweil im Amt

Der UN-Syrien-Sondergesandte Lakhdar Brahimi bleibt derweil vorerst im Amt. UN-Beamten zufolge zog er eine Rücktrittsdrohung angesichts der Pläne von USA und Russland für eine internationale Syrien-Konferenz zurück. Brahimi hatte den Plan als „die erste Hoffnung gebende Nachricht in dieser Angelegenheit seit sehr langer Zeit“ bezeichnet.

Seit Beginn des Konflikts in Syrien vor mehr als zwei Jahren haben nach Angaben der Diakonie Katastrophenhilfe bereits 1,4 Millionen Menschen das Land verlassen. Dem UN-Welternährungsprogramm zufolge sind derzeit zudem tausende Familien an der syrischen Mittelmeerküste um Banias auf der Flucht. UN-Menschenrechtskommissarin Navi Pillay forderte die internationale Gemeinschaft am Freitag angesichts der Berichte dringend zum Handeln auf. Die syrische Armee forderte unterdessen die Bevölkerung von Kusair auf, die Stadt wegen einer bevorstehenden Offensive zu verlassen.

10 May 2013

TAGS

Schwerpunkt Syrien
Recep Tayyip Erdoğan
Chemiewaffen
Syrischer Bürgerkrieg
Sarin
Schwerpunkt Syrien
Reyhanli
Schwerpunkt Syrien
Schwerpunkt Syrien
Sarin
Schwerpunkt Syrien

ARTIKEL ZUM THEMA

Debatte um syrisches Giftgas: Reporter bei Sarin-Einsatz dabei

Frankreichs Regierung hält die von „Le Monde“ vorgelegten Beweise für sicher, dass die syrische Armee das Giftgas Sarin einsetzt. Die USA bleiben weiter zurückhaltend

Kommentar Bombenanschläge Reyhanli: Perfide Strategie der Attentäter

In der Türkei macht sich niemand mehr Illusionen über die Auswirkungen des Krieges in Syrien. Der Sturz von Assad würde die Kämpfe nicht beenden.

Explosion an türkisch-syrischer Grenze: Attentat fordert mindestens 40 Tote

In einer türkischen Grenzstadt sterben über 40 Menschen, die Täter sind noch unklar. Die internationale Friedenskonferenz für Syrien wird wohl nicht im Mai stattfinden.

Israelischer Luftangriff in Syrien: Entwarnung aus Damaskus

Nach dem israelischen Raketenbeschuss von Syrien blieb der Gegenangriff aus. Das Interesse von Assad an einem Zweifrontenkrieg scheint begrenzt zu sein.

Anschläge auf den Golanhöhen: Vier Blauhelme entführt

Auf den Golanhöhen sind vier UN-Soldaten von einer bewaffneten Gruppe entführt worden. Aus Syrien wurde zudem die dritte Mörsergranate seit Montag abgefeuert.

Streit um Giftgas in Syrien: Keine Beweise für C-Waffen-Einsatz

Die Kommission widerspricht Carla del Ponte: Es gebe keine Hinweise für Giftgaseinsatz. Derweil bereitet sich die Türkei auf ABC-Waffen-Opfer aus Syrien vor.

Krieg in Syrien: Türkei erwartet ABC-Waffen-Opfer

Die Türkei stellt sich darauf ein. Opfer atomarer, biologischer und Kampfstoffe behandeln zu müssen. In Flüchtlingslagern werden Dekontaminierungszelte errichtet.