taz.de -- Kolumne Luft und Liebe: Dem Bestehenden den Arsch pudern

Feminismus endet auf „–ismus“ und ist deswegen ideologisch. Klar. Wie viele andere Dinge auch. Journalismus und so.
Bild: „Hat sie ‚Kacknasen‘ gesagt?“ – „Kann ich mir nicht vorstellen.“

Feminismus abzulehnen, weil er ein „Ismus“ ist, ist eine anrührend dämliche Haltung, aber leider mindestens so weit verbreitet wie Herpes, Katzenallergien und Dummheit.

Sogar die Besten der Besten, meine lieben Onlinekommentatorinnen und -kommentatoren, meine Herzchen und Musen und Per-Klicks-und-VG-Wort-Kleinmäzene, sogar die fallen darauf herein. Manchmal sagen sie, „Feminismus ist wie Maskulinismus sexistische Kackscheiße“ oder eine „menschenverachtende Ideologie“, dann wieder sehen sie „keinen Unterschied zwischen Islamisten und Feministen“ und finden: „Für mich können sich Feministen in die lange Riege der sonstigen Isten einreihen. Passend dazu Sexisten, Islamisten, Anarchisten und Faschisten.“

Da haben sie natürlich durchaus gut aufgepasst: Es enden so einige widerwärtige Dinge auf „-ismus“. Rassismus, Terrorismus und so. Vielleicht haben meine Musenherzchen das schon in der Schule gelernt und sich dann so lange gemerkt, bis jetzt, wo sie alt und hässlich sind.

Und weil die zwei Synapsen, die „Scheiße“ und „-ismus“ in ihren Köpfen verbinden, die einzigen sind, die noch funktionieren, sind sie auf die besonders stolz. Und wo sie nicht überall recht haben! All die Ideologien. Nationalsozialismus. Islamismus. Kapitalismus. Satanismus. Kannibalismus. Alkoholismus. Dogmatismus. Vandalismus. Totalitarismus. Patriotismus. Egoismus. Monotheismus. Föderalismus. Syllogismus. Heliozentrismus. Pazifismus. Konformismus. Nonkonformismus. Anglizismus. Buddhismus. Pluralismus. Surrealismus. Optimismus. Organismus. Zynismus. Und Journalismus.

Man könnte das jetzt sortieren und sagen, das eine sind Weltanschauungen, das andere Kunstformen, und der Rest ist Wurzelgemüse und Sonstiges, aber ach, das wäre Intellektualismus und Perfektionismus und [1][Wikipedia].

Netter Versuch, das mit dem ismenfreien Leben, funktioniert leider nicht. Diese Haltung, die Feminismus wegen des „-ismus“ ablehnt, ist argumentativ billig und kristinaschröderesk: jeder Ismus ein Extremismus. Und mit dem will man sich bloß nicht gemein machen. Sich nicht [2][auf eine Seite stellen], denn es könnte ja jemand auf der anderen stehen. Und dann müsste man erklären, warum man auf der einen steht, und vielleicht ist es ja auf der anderen viel angenehmer oder sonniger oder es gibt Treueherzen.

Und wenn es nicht ein Neologismus wäre, könnte man diese Leute „Antiismenisten und Antiismenistinnen“ nennen, aber der Einfachheit halber können wir auch „Pfeifen“ sagen, oder „selbstgerechte Kacknasen“.

Asoziale Pfeifen, die sich in einem ideologiefreien Leben wähnen und damit bloß dem Bestehenden den Arsch pudern. Es geht ihnen gut, mit dieser Ismen-Ablehnung, es ist gemütlich in dieser beigefarbenen, lauwarmen Gleichgültigkeit, in der sie sagen, es ginge „um den Menschen“, also eigentlich nur um sie selbst. Diese ekelhafte Mitte, in der alles so bleiben soll, wie es immer schon war. Sie wollen nicht nur für nichts kämpfen, sie wollen auch, dass andere nicht kämpfen.

Musenherzchen, ihr riecht nach Verwesung.

29 May 2013

LINKS

[1] http://de.wikipedia.org/wiki/Ismen
[2] /!116279/

AUTOREN

Margarete Stokowski

TAGS

Feminismus
Ideologie
Luft und Liebe
Luft und Liebe
Luft und Liebe
Simone de Beauvoir
Uni Leipzig
Feministinnen
Brüste
Frühling

ARTIKEL ZUM THEMA

Kolumne Luft und Liebe: Das Leben ist kein Flatratepuff

Selbstliebe ist schwer zu lernen. Für Deutsche angeblich ganz besonders. Und mit Teebeutelsprüchen wird es nicht einfacher.

Kolumne Luft und Liebe: Ist es der güldene Herrenslip?

Das wüste Leben des Günther J. ist letztlich nur so mittelwüst. Statt Orgien gibt es Schlaglöcher. Ist aber auch okay so.

Kolumne Luft und Liebe: Im Sexchat mit Barack Obama

Die Briefe von Beauvoir und Adorno, Sexchats auf Facebook und das Quaken der Frösche am See: Am Ende ist alles öffentlich.

Kolumne Luft und Liebe: Männer und Pfauen

Ein Leipziger Dekan, der nicht „Herr Professorin“ sein will, und Harald Martenstein: In einem Theaterstück über das Patriarchat hätten sie wichtige Rollen.

Kolumne Luft und Liebe: Bis „Fotze“ ein Kompliment ist

Wer Feministin werden will, ist vielleicht schon eine. Aber einfach ist es nicht. Manchmal blühen tausend Penisse vorm Fenster.

Kolumne Luft und Liebe: Zwangsjacken aus Spitze

Zwei Brüste, drei Körbchengrößen. Das Leben mit BHs ist kompliziert. Verbrennen sollte man sie trotzdem nicht – höchstens tauschen.

Kolumne Luft und Liebe: Hier fickt niemand

Wo kein Frühling ist, sind auch keine Frühlingsgefühle. Der Weltuntergang bringt 15 Zentimeter Neuschnee, alle lenken sich ab.

Kolumne Luft und Liebe: Die Liebe höret immer auf

Der Frühling ist noch nicht da, die Frühjahrsmüdigkeit schon. Mit der Alkohol-Diät der „InStyle“ hätte man vielleicht ein wilderes Leben.