taz.de -- Polizei gegen Journalisten bei Blockupy: Mit Wucht in die Kamera
Nach den Blockupy-Protesten von Frankfurt beklagen sich Reporter über Polizeigewalt. Die Journalisten-Gewerkschaft DJU findet die Vorfälle „unglaublich“.
FRANKFURT taz | Auf einer Demonstration kann es manchmal ruppig zugehen, auch für Journalisten. Doch was sich am Samstag während der [1][Blockupy-Proteste] in Frankfurt am Main abspielte, das bezeichnet Cornelia Haß, Geschäftsführerin der Journalistengewerkschaft DJU, als „unglaubliche“ Vorfälle: „Zu Verstößen kommt es immer wieder, aber was dort passierte, ist sehr ungewöhnlich.“ Sie habe den Eindruck, [2][dass die Polizei] „keinerlei Sensibilität für die Pressefreiheit und die Arbeit der Journalisten hatte“.
Was ist passiert an diesem 1. Juni in Frankfurt? Eine von etlichen Geschichten kann Christian M. erzählen. Er ist freier Autor und Fotograf, etwa beim Magazin Fluter und der Zeit. Am Samstag fotografierte er den zunächst friedlichen Protest – bis die Polizei begann, den Protestzug gewaltsam zu stoppen, den antikapitalistischen Block an der Demospitze einzukesseln – und damit auch M. „Plötzlich rannten Polizisten auf mich zu“, sagt er.
Der Fotograf trug eine graue Weste, auf der deutlich sichtbar „Presse“ stand und befand sich laut eigener Aussage einige Meter vor den Demonstranten. „Dennoch bekam ich aus nächster Nähe eine volle Ladung Pfefferspray in die Augen.“ Er sei kollabiert und ins Krankenhaus gebracht worden. Erst nach mehreren Stunden wurde er entlassen – „mit einem großen Schock: Ich empfinde das als Angriff auf meine Person und die Pressefreiheit.“ Er will nun Strafanzeige gegen die Polizei stellen.
M. ist nicht der einzige betroffene Journalist. Bei Cornelia Haß sind bereits vier Beschwerden wegen Polizeigewalt eingegangen, darunter von zwei Journalisten, die ins Krankenhaus mussten. „Vermutlich liegt die Dunkelziffer viel höher.“ Der taz liegen Berichte von weiteren Fällen vor, etwa von einem Fotografen, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. „Ich habe mit der rechten Hand Fotos gemacht“, berichtet er. „Plötzlich kam ein Polizist auf mich zu und obwohl ich meinen Presseausweis mit der linken Hand hochhielt, hat er mir mit voller Wucht die Kamera ins Gesicht geschlagen.“
Erfassung von Personalien
Wie groß die Empörung ist, zeigte die Pressekonferenz der Polizei und des hessischen Innenministers am Montag. Dort erhoben – unüblich für einen solchen Rahmen – etliche Journalisten Vorwürfe gegen die Polizei. „Das war eine Schande für Frankfurt“, rief einer. Weitere Pressevertreter beklagen die Erfassung ihrer Personalien. RTL-Reporter Benjamin Holler berichtet, dass sein Kameramann von einem Polizisten geschubst und ihm ein Bein gestellt worden sei. Seine Arbeit sei bewusst behindert worden, sagte Holler der taz.
„Als die Räumung im Kessel begann, drückte mir ein Polizist mit seinen Ellbogen massiv gegen die Halsschlagader und ließ auch trotz Protest nicht davon ab“, sagt Fotograf Sascha Rheker, der unter anderem für die Frankfurter Rundschau arbeitet. Das Fazit des 39-Jährigen: „Wenn es um unnötige Gewalt gegen Demonstranten sowie um Ruppigkeit gegenüber Journalisten geht, war das der negative Höhepunkt meiner Karriere.“ Ein Polizeisprecher sagte, man gehe den Vorwürfen nach.
„Das muss ein politisches Nachspiel haben“, so DJU-Geschäftsführerin Haß. Entweder sei die Polizei nicht vernünftig auf den Einsatz vorbereitet gewesen oder es sei „bewusst versucht worden, Berichterstattung zu unterbinden“. Die Polizei weist diese Vorwürfe zurück.
4 Jun 2013
LINKS
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Der Polizist, der im Juni 2013 einen Blockupy-Demonstranten verletzte, wurde zu fünf Monaten Haft verurteilt. Er muss die Strafe aber nicht antreten.
Die Bremer Polizei hat Selbstanzeige gegen Beamte wegen Körperverletzung im Amt erstattet. Sie waren gegen einen bereits am Boden liegenden Mann vorgegangen.
Der Protestforscher Dieter Rucht analysiert soziale Bewegungen. Außerdem hat er sich mit den Blockupy-Protesten solidarisiert.
Nach dem harten Polizeieinsatz in Frankfurt greift die Gewerkschaft der Polizei die „Frankfurter Rundschau“ und die „taz“ an.
Nach dem harten Polizeieinsatz gegen Demonstranten in Frankfurt am Main fordert die Linke in Hessens Landtag einen Untersuchungsausschuss – und bleibt damit alleine.
Grundrechte? Nicht mit uns! Darin sind sich die hessischen Christdemokraten und der türkische Ministerpräsident Erdogan einig.
Tausende haben am Samstag in Frankfurt gegen den Polizeieinsatz bei der Blockupy-Demo Ende Mai protestiert. Sie forderten den Rücktritt von Hessens Innenminister.
Grüne, Linke und SPD kritisieren Polizeieinsatz gegen die Blockupy-Demonstration am Samstag. Auch Konservative stimmen ein.
Die gesellschaftlichen Missstände sind unübersehbar geworden, sagt der Soziologe Michael Hartmann. Doch bislang fehle der Protestbewegung noch die breite Basis.
In Frankfurt hebelte die Polizei das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit aus. Das ist nicht nur unverhältnismäßig, das ist eine Frechheit.
Einen Kilometer weit sind sie gekommen, dann schloss sich der Kessel. Es bleibt der Eindruck, dass die Polizei nicht ganz zufällig über das Ziel hinausgeschossen ist.
Kaum hat die Demonstration begonnen, wird sie auch schon angehalten. Der Einsatz wegen verletzter Auflagen erscheint unverhältnismäßig.