taz.de -- Die Politik und die Haasenburg GmbH: Macht das Ding zu!

Die Jugendhilfeeinrichtung Haasenburg GmbH gerät in Bedrängnis. Jetzt unterbricht der Brandenburger Landtag sogar seine Sommerpause.
Bild: Eigentlich ist jetzt schon Sommerpause im Brandenburger Landtag: Wegen der Haasenburg muss sie unterbrochen werden.

BERLIN taz | Diesmal ließ die Reaktion nicht lange auf sich warten. Am Sonntag, einen Tag nachdem die taz erstmals in einer großen Reportage umfassend aus internen Dokumenten der Jugendhilfeeinrichtung Haasenburg GmbH zitierte, meldete sich die Linke-Fraktion im Brandenburger Landtag und forderte Aufklärung.

Auf Bundesebene hielten sich die Parlamentarier der Partei zuvor bedeckt – aus Rücksicht auf die Brandenburger Genossen in Regierungsverantwortung und gänzlich anders als ihre Hamburger Kollegen, die schon länger Missstände in der Haasenburg GmbH auch öffentlich beklagen.

Falls die Vorwürfe zuträfen, erklärte der Brandenburger Linksfraktionschef Christian Görke, sei das ein Fall für die Heimaufsicht des Landes und für die Staatsanwaltschaft.

Zu diesem Zeitpunkt war den politisch Zuständigen vielleicht noch nicht klar, dass die Staatsanwaltschaft längst eine Ahnung von den Missständen bekommen haben musste. Mehrere Betroffene hatten nach ihren Erfahrungen in der Haasenburg GmbH Polizei und Staatsanwaltschaft um Hilfe gebeten.

Doch niemand befand ihre Aussagen als hinreichend für eine Anklage. Gestern nun teilte die Staatsanwaltschaft Cottbus mit, dass zwei Strafanzeigen eingegangen sind. Eine habe ein ehemaliger Bewohner des Kinder- und Jugendheims eingereicht. Die zweite Anzeige sei allgemein formuliert und beziehe sich auf mehrere Vorwürfe zur Haasenburg GmbH.

Die Staatsanwaltschaft hatte bei der taz vergeblich Unterlagen angefordert, die Informanten der taz gegeben hatten und die nicht an die Anklagebehörde übergeben werden sollen. Auch das Ministerium schloss sich der Forderung an und beklagte zudem, dass sich auf eine eilends eingerichtete Hotline niemand gemeldet habe. Selbst die Brandenburger Grünen fragten nach, warum die taz die Informationen nicht weitergibt, statt nach einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu rufen.

Die Haasenburg GmbH, das Landesjugendamt und das Brandenburgische Bildungsministerium antworteten monoton, die taz würde keine Neuigkeiten berichten. Die Zustände seien behoben: Fixierliegen seien 2010 abgeschafft worden, Postkontrollen gebe es nur bei Verdacht.

Kein Wort zu den Antiaggressionsmaßnahmen und Psychopharmaka oder dem Erziehungsgedanken der Haasenburg, der einen unaufgeklärten und autoritätshörigen Charakter anstrebt.

Nicht reformierbar

Eine solche Firma sei nicht durch Auflagen reformierbar, sagt Christian Sachse, Politikwissenschaftler und Theologe, der sich bestens mit Jugendwerkhöfen in der DDR auskennt und mehrere Studien darüber und über die Folgen für die Opfer erstellt hat.

Bei taz-Lesern war die Meinung einhellig: Macht das Ding zu. Eine Onlinepetition hatte in drei Tagen rund 4.000 Unterzeichner – bevor sie durch eine juristische Verfügung der Haasenburg GmbH eingestellt wurde. In der Petition begründet eine Frau ihre Unterschrift so: „Weil ich eine betroffene Mutti bin und meine Tochter bis heute an dem Erlebten in der Haasenburg zu leiden hat. Sie kam dorthin mit einem Trauma und hat jetzt ein schlimmeres Trauma als vorher.“

Bis Ende des Monats müssen die Brandenburger Parlamentarier nun ihre Sommerferien unterbrechen. Der Grund: Eine Sondersitzung des Familienausschusses ist einberufen. Im Antrag steht, dass „das Vertrauen in die Behörden des Landes gefährdet“ sei.

21 Jun 2013

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Kai Schlieter

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