taz.de -- Abhörsysteme der Geheimdienste: Vor Prism gab es Echelon

Schon vor über zehn Jahren gab es große Aufregung über Ausspähsysteme der angelsächsischen Geheimdienste. Jahrelang beschäftigte sich das Europaparlament damit.
Bild: Überwachung? Geheimdienst? Da war doch schon mal was? Hallo, hört da wer mit?

HAMBURG afp | Prism und Tempora sind in aller Munde. Das Ausmaß der mutmaßlichen globalen Hightech-Spähprogramme der USA und Großbritanniens ist derzeit zwar noch unklar. In ihrer Reichweite und technischen Ausgefeiltheit scheinen sie jedoch die Fortentwicklung früherer Lauschprogramme darzustellen, die schon vor Jahren große Aufregung und Empörung ausgelöst hatten.

Um die Jahrtausendwende, also noch vor den Terroranschlägen des 11. September 2001, sorgte Echelon für Schlagzeilen. Das Europaparlament befasste sich jahrelang mit diesem mutmaßlichen gemeinsamen System von Nachrichtendiensten aus den USA, Großbritannien, Australien, Neuseeland und Kanada, mit dem in großem Stil die satellitengestützte Telekommunikation überwacht worden sein soll.

Im Sommer 2001 legte das Europaparlament einen Bericht vor, der die Existenz des gigantischen Spähprogramms beweisen sollte. Der US-Geheimdienst NSA, sein britisches Gegenstück GCHQ und deren Partnerdienste in Australien, Neuseeland und Kanada hatten demnach schon seit dem Kalten Krieg gemeinsam Anlagen betrieben, mit denen sich der über Kommunikationssatelliten abgewickelte zivile Datenverkehr weltweit abfangen und auswerten ließ. Das System soll dem Parlamentsbericht zufolge zumindest zeitweise ganz oder in Teilen den Codenamen Echelon getragen haben.

Schon damals wiesen die Experten ergänzend darauf hin, dass nur ein Bruchteil des Datenaustauschs über Satelliten erfolge, während der größte Teil der Kommunikation via Internet, Handy oder E-Mail über Glasfaserkabel und Funkstationen auf der Erde abgewickelt werde. Im damaligen Bericht des EU-Parlaments wurde auch bereits die Möglichkeit erwähnt, Teile dieser Daten an den Endpunkten von Seekabeln abzufangen – was laut den Enthüllungen des früheren US-Geheimdienstmitarbeiters Edward Snowden inzwischen längst im Rahmen des britischen Tempora-Programms geschieht.

600 Millionen „Telefon-Ereignisse“ täglich

Damals werteten die Verfasser des Berichts für das EU-Parlament die Chancen zur effektiven Auswertung der gigantischen Datenmengen in den Kabeln noch als recht begrenzt ein. Technische und personelle Hürden setzten dem Vorhaben enge Grenzen, hieß es. Inzwischen ist die Technik der Geheimdienste natürlich viel weiter. Die Kapazitäten von Computern zur Verarbeitung großer Datenmengen haben sich über die vergangenen Jahre immens gesteigert. Die Tempora-Infrastruktur soll es laut Snowden ermöglichen, 600 Millionen „Telefon-Ereignisse“ täglich zu registrieren und immense Mengen an Daten für 30 Tage zu speichern und anschließend durchsuchen zu lassen.

Gut möglich also, dass es sich bei den nun diskutierten Programmen von NSA & Co. nicht um wirkliche Neuerfindungen der Zeit nach dem 11. September 2001 handelt, sondern um Erweiterungen eines bereits länger bestehenden Abhörnetzes, das die Verbündeten USA, Großbritannien, Australien, Neuseeland und Kanada verbindet. Deren Geheimdienstkooperation ging aus dem Zweiten Weltkrieg hervor und wurde während des Kalten Kriegs durch geheime Abkommen ausgebaut.

Für Diskussionen sorgte „Echelon“ damals in Deutschland und Europa vor allem wegen des Verdachts, die USA und ihre Verbündeten könnten damit eventuell Wirtschaftsspionage betreiben und den Datenschutz von Bürgern auszuhebeln. Nach dem 11. September gab es Berichte, wonach das Echelon-Programm auch bei der Jagd auf Al-Kaida-Terroristen hilfreich gewesen sein soll, indem es Handytelefonate abfing und darin automatisch Stimmen identifizierte.

26 Jun 2013

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