taz.de -- Proteste in Ägypten: Tote bei Mursi-Demo in Kairo
Zehntausende Menschen protestieren gegen die Intervention des Militärs. Mindestens zwei Anhänger der Muslimbruderschaft kommen ums Leben.
KAIRO taz | Das Militär, da ist sich Mustafa sicher, werde den Willen des Volks nicht zerschlagen können. „Mursi wird zurückkommen. Und zwar noch heute.“ Dann wendet sich der Pharmaziestudent wieder der Bühne zu, die Anhänger des gestürzten Präsidenten Mohammed Mursis in einem Protestcamp vor der Kairo-Universität aufgebaut haben. Ein Redner animiert zu Sprechchören gegen das Militär. „Allahu akbar“, schallt es ihm entgegen, „Gott ist groß“.
Zehntausende haben sich am Freitag in Kairo versammelt, um ihren Unmut über die Entmachtung des frei gewählten Expräsidenten Mohammed Mursi zum Ausdruck zu bringen. Zur größten Kundgebung kam es in dem Kairoer Stadtteil Nasr City, der bereits in den vergangenen Tagen Schauplatz von Massendemonstrationen für Mursi geworden war. Auch in Alexandria, Luxor und anderen ägyptischen Städten demonstrierten Tausende Mursi-Unterstützer.
Zu blutigen Auseinandersetzungen kam es am Freitagnachmittag, als sich Demonstranten in Kairo einer Einrichtung der Republikanischen Garde näherten und ein Bild Mursis an der Absperrung befestigten. Soldaten sollen daraufhin das Feuer eröffnet haben. Dabei seien mindestens zwei Menschen getötet worden, teilten Sicherheitskräfte mit. Augenzeugen berichteten von drei Toten.
Die Armeeführung hatte Mursi nach tagelangen Massenprotesten am Mittwochabend abgesetzt und in Gewahrsam genommen. Die Mursi nahestehenden Muslimbrüder und verbündete Parteien hatten am Donnerstag zu einem „Freitag der Ablehnung“ aufgerufen. Die Armeespitze betonte das Recht aller Bürger, sich an Protesten zu beteiligen, solange diese friedlich blieben.
„Wo wird ein Putsch einfach hingenommen“
Während viele von Mursis Gegnern die Entmachtung durch das Militär als Vollstreckung des Willens der Protestbewegung gegen Mursi sehen, sprechen die Anhänger des geschassten Präsidenten offen von einem Militärputsch. „In welchem Staat wird ein Putsch denn einfach hingenommen?“, fragt ein älterer Herr, der in dem Protestlager vor der Kairo-Universität im Schatten sitzt. Er sei kein Mitglied der Muslimbrüder, betont er, könne aber das Vorgehen der Armeeführung nicht gutheißen. „Erstens hat das Militär die vom Volk legitimierte Verfassung außer Kraft gesetzt und zweitens den demokratisch gewählten Präsidenten gestürzt.“
Das sieht die Afrikanische Union ähnlich, die am Freitag die Mitgliedschaft Ägyptens aussetzte. Der Machtwechsel in Kairo „entspreche nicht der Verfassung Ägyptens“, hieß es in einer Erklärung des AU-Sicherheitsrates in Addis Abeba am Freitag.
Auch die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Navi Pillay, kritisierte die Geschehnisse in Ägypten und forderte ein Ende der Verhaftungen von Muslimbrüdern. Nach Mursis Sturz hatte das Militär mehrere hochrangige Mitglieder der Bruderschaft verhaftet und den Islamisten nahestehende Fernsehkanäle geschlossen. „Es darf keine Gewalt mehr geben, keine willkürlichen Verhaftungen, keine illegalen Vergeltungsakte“, sagte Pillay am Freitag in Genf.
Unterdessen gingen die neuen Machthaber in Ägypten weiter gegen Muslimbrüder vor. Das von den Islamisten dominierte Oberhaus wurde von Übergangspräsident Mansur für aufgelöst erklärt. Auf der ägyptischen Sinai-Halbinsel gingen laut einem Armeesprecher Soldaten in Alarmbereitschaft, nachdem Islamisten Kontrollposten von Polizei und Militär in der Nacht auf Freitag angegriffen hatten. Dabei war ein Angehöriger der Sicherheitskräfte getötet worden. Zwei Kollegen wurden verletzt.
Grenzübergang geschlossen
Als Reaktion auf die Unruhen auf dem Sinai schloss Ägypten am Freitag seinen Grenzübergang zum palästinensischen Gazastreifen. Auf der weitläufigen Halbinsel haben die ägyptischen Behörden seit dem Sturz von Exdiktator Husni Mubarak die Kontrolle verloren.
Im Protestlager vor der Kairo-Universität brach unterdessen Jubel aus, als die Rücktrittsankündigung von Generalstaatsanwalt Abdel Meguid Mahmud bekannt wurde. Der Spitzenjurist war unter Mubarak zum Generalstaatsanwalt berufen und nach seinem Sturz zur Zielscheibe der islamistischen Regierung geworden. Erst am Dienstag war Mahmud durch ein Gerichtsurteil wieder ins Amt gekommen.
5 Jul 2013
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