taz.de -- Die Knigge-Frage: Unterwegs mit falschem Namen
Im Mailabsender steht „zorngottes“ oder „flitzpiepe“, auf Facebook kommentiert „Rainer Wahnsinn“. Darf man falsche Mailadressen oder Namen benutzen?
Mit „falscher Mailadresse“ ist hier offenbar gemeint, dass sich eine Sabine Müller bei ihrem Provider sicherheitshalber nicht die Adresse sabine.mueller@irgendwie.de einrichtet, nicht einmal s.mueller@irgendwas.de oder diebine@irgendwo.de. Sondern „zorngottes“, „flitzpiepe“ oder „traumtaenzerin87“.
Ist nun dem Empfänger der – ihre wahre Existenz verschleiernde – Spitzname von Sabine Müller bekannt, stört er sich auch nicht an einer Mail von „flitzpiepe“. Verlassen wir aber den Pool der Verwandten und Bekannten und begeben uns hinaus auf das offene Meer des endlosen Internets, sieht die Sache schon ein wenig anders aus.
Gerade hier scheint es vielen Menschen geboten, nicht allzu viel von sich preiszugeben; und der Name ist durchaus etwas Persönliches. Sogar bei Facebook tauchen immer häufiger Leute auf, die sich „Jick Magger“ oder „Rainer Wahnsinn“ nennen lassen. Auch hier gilt: Wer weiß, wer sich dahinter verbirgt, darf sich zu den Eingeweihten zählen und Milde walten lassen.
So scheint es umso verständlicher, dass Menschen auch bei ihren Kommentaren in Foren oder bei Mails ins Ungefähre ein Pseudonym benutzen. Aber erstens kann, wer will, die IP-Adresse und damit den Klarnamen ermitteln – der „Schutz“ des Pseudonyms ist also höchstens ein psychologischer.
Zweitens ergibt sich aus Pseudonymen gerade in Foren ein anderes Problem, das wesentlich schwerer wiegt als eine eventuelle Unhöflichkeit: Wer dort unter einem Spaßnamen schreibt, wird entsprechend ernst genommen, nämlich gar nicht. Der Einwand einer Leserin mit Pseudonym ist, als spräche auf einem Podium ein Gast mit Pappnase und Perücke. Die wunderliche Maskerade entwertet die Meinung, mag sie auch noch so gut begründet sein.
13 Jul 2013
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Wer sauniert, möchte sich in der Regel entspannen. Dabei kann das Gequassel des Nachbarn wahnsinnig machen. Darf man sich in der Sauna unterhalten?
Darf man als Beifahrer schlafen? Juristisch kein Problem. Doch ein Auto ist kein Gerichtssaal und der Fahrer muss wach gehalten werden.
Wer seine Meinung im Netz äußern möchte, solle sich nicht hinter Anonymität verstecken, findet Arianna Huffington. Markus Beckedahl gibt Kontra.
Die „Huffington Post“ will eine Klarnamenpflicht für ihre User einführen. Kann das die Debattenkultur im Internet bereichern?
Manchmal tut Wahrheit weh. Sie zu hören oder sie auszusprechen. Aber wer mutet sie uns zu – wenn nicht die Freunde?
Es gehört zur guten Erziehung, älteren Menschen seinen Platz anzubieten – doch statt Dankbarkeit reagieren viele mit ausgesuchter Zickigkeit. Was ist da los?
Anker, Rose, Totenkopf: Wer sich so tätowiert, dass andere es sehen, den darf man doch auch auf sein Tattoo ansprechen. Oder?
Hallo! Hallo? Leerer Blick, keine Reaktion. Stattdessen: Sanfte Bässe, die die Menschen im Zehn-Meter-Umkreis beschallen. Unhöflich? Oder okay?
In der U-Bahn, im Café, im Restaurant: Menschen, die Musik machen, ohne dass man sie darum gebeten hat, sind überall. Wie viel Geld sollte man ihnen geben?
Schnell geschrieben, vielleicht noch vom Smartphone und mit Tippfehlern – steckt da Liebe in den Zeilen?
In Foren wird über den Klodeckel gestritten: Letzte Barriere gegen Ratten oder zeitraubendes Hindernis beim Toilettengang – darf er oben bleiben oder nicht?
Es klingelt und klingelt und hört nicht auf. Meistens, wenn es gerade ungünstig ist. Und dann? Abnehmen oder ignorieren?
Von wegen „Alkohol verfliegt beim Kochen“ – Forscher haben diese These kürzlich widerlegt. Also: Dürfen Kinder Gulasch mit Rotweinsoße essen?