taz.de -- Untersuchungshaft ausgesetzt: Putin-Gegner Nawalny auf freiem Fuß
Die zahlreichen Proteste in Russland zeigen Wirkung: Der Kreml-Kritiker Alexej Nawalny ist vorläufig frei – bis das Straflager-Urteil rechtskräftig ist.
MOSKAU afp/dpa/ap | Ein russisches Gericht setzte die Untersuchungshaft des Putin-Gegners Alexej Nawalny am Freitag aus, bis das Straflager-Urteil gegen den Oppositionellen rechtskräftig ist. Am Vortag gab es spontane Proteste in vielen russischen Großstädten gegen die Inhaftierung. Der 37 Jahre alte Anwalt wurde in der Stadt Kirow wegen Veruntreuung zu fünf Jahren Straflager verurteilt.
Moskaus Generalstaatsanwaltschaft hatte nach den Demonstrationen angekündigt, Beschwerde gegen die Inhaftierung einzulegen. Richter Sergej Blinow hatte den Oppositionspolitiker noch im Gerichtssaal Kirow verhaften lassen. Daraufhin stürmten landesweit Tausende Menschen auf die Straße, um gegen Justizwillkür in Russland zu protestieren.
Bei Protesten in Moskau sind den Angaben einer unabhängigen Internetseite zufolge mehr als 200 Menschen festgenommen worden. Am Abend und in der Nacht zu Freitag habe die Polizei 209 Menschen in Gewahrsam genommen, berichtete die Internetseite OVD-Info, die auf Polizei- und Justizinformationen aus unabhängiger Quelle spezialisiert ist. Eine offizielle Bestätigung gab es dafür zunächst nicht.
Nach Angaben der Polizei nahmen 2.500 Menschen an den nicht genehmigten Protesten vor dem Kreml teil, Aktivisten sprachen von 10.000 Teilnehmern. Die Sicherheitskräfte räumten am Abend den Roten Platz am Kreml, doch dauerten die Proteste nahe dem Parlament bis in die Nacht an. Auch in Russlands zweitgrößter Stadt St. Petersburg gab es Proteste, an denen sich laut AFP-Reportern rund 2.000 Menschen beteiligten.
Den Angaben zufolge wurden die meisten Festgenommenen in Moskau wieder freigelassen. Gegen einige Demonstranten wurde jedoch Anzeige gestellt wegen Störung der öffentlichen Ordnung. Darauf steht eine Strafe von bis zu 15 Tagen Haft oder 300.000 Rubel (7.000 Euro).
Fragen zur Rechtsstaatlichkeit
Das Urteil stieß bei der EU und den USA auf scharfe Kritik. Der US-Botschafter in Moskau, Michael McFaul, sagte, die USA seien schwer enttäuscht von der Verurteilung und der „offensichtlichen politischen Motivation in diesem Prozess“. Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton äußerte sich besorgt. Das Urteil werfe ernste Fragen zur Rechtsstaatlichkeit in Russland auf.
Nawalny gilt als einer der schärfsten Kritiker des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Im Winter 2011 war er bei den Massenprotesten nach der umstrittenen Parlamentswahl als einer der Wortführer aufgetreten. Am Mittwoch war er als Kandidat zur Bürgermeisterwahl in Moskau am 8. September zugelassen worden, doch darf er im Fall einer Verurteilung nicht antreten.
19 Jul 2013
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Alexej Nawalny wollte gegen das Ergebnis der Moskauer Bürgermeisterwahl vorgehen und ist gescheitert. Und der Strafprozess gegen den Oppositionellen wurde vertagt.
Der Putin-Kritiker, der Moskauer Bürgermeister werden will, soll für seinen Wahlkampf illegale Gelder aus dem Ausland erhalten haben.
Weit ab von Moskau kämpfen im Uralgebiet Kulturinstitutionen um Unabhängigkeit. Die Philharmonie in Jekaterinburg zeigt, dass sich der Kampf lohnt.
Der Kreml-kritische Blogger Alexej Nawalny kehrt nach Moskau zurück. Nun will er dort im September für die Bürgermeisterwahl kandidieren.
Ein russischer Oppositioneller muss fünf Jahre ins Straflager. Lew Gudkow sieht eine Verschärfung des Autoritarismus. Das Land sei nicht demokratisch, sagt er.
Putin lässt den Regierungskritiker Alexei Nawalny wegsperren. Was nach Stärke aussieht, ist aber ein Zeichen von Verunsicherung.
Der Oppositionelle hat sich mit russischen Konzernen und Wladimir Putin angelegt. Nun wurde Alexei Nawalny in einem umstrittenen Prozess schuldig gesprochen.
Tausende gehen in Moskau auf die Straße. Sie wenden sich gegen die Verhaftung von rund 30 Aktivisten und deren bevorstehende Schauprozesse.