taz.de -- Das Gute am NSA-Skandal: Wusste ich’s doch!

Früher war Verschwörungstheoretiker ein Schimpfwort, dann kam die NSA-Bespitzelung ans Licht. Endlich ist der Glaube an den guten Staat erschüttert.
Bild: Niemand hatte Böses vermutet: Vom Berliner Teufelsberg aus belauschte die NSA den Ostblock.

Als das State Department Ende letzter Woche eine „Terrorwarnung“ vor Al-Qaida herausgab und ankündigte, zahlreiche Botschaften zu schließen, geschah etwas Erstaunliches. Selbst konservative Medien äußerten Skepsis und fragten, ob diese Warnung ernst zu nehmen sei – oder ob die Unverzichtbarkeit der in die Kritik geratenen NSA herausgestellt werden sollte.

Tatsächlich war die Begründung für die Terrorwarnung – abgehörte Telefonate von angeblichen „Al-Qaida-Verbündeten“ – äußerst unkonkret und hätte in ihrer vollkommenen Vagheit auch einem Lesen im Kaffeesatz oder einer Interpretation des Vogelflugs entsprungen sein können. Das war allerdings in der Vergangenheit schon oft genug genauso und ging dann glatt durch. Was hat sich geändert?

Offenbar scheint verschwörungstheoretisches Denken mittlerweile auch in solchen Redaktionen angekommen, in denen der Begriff „Verschwörungstheorie“ bis vor kurzem allein der Diffamierung unerwünschter Nachrichten diente.

Und damit der Affirmation des unerschütterlichen Glaubenssatzes, dass ein demokratischer Staat, seine Behörden, Militärs und Geheimdienste ausschließlich Gutes tun und natürlich niemals irgendwelcher Verbrechen fähig sind. Dieser fromme Glaube scheint mittlerweile nachhaltig erschüttert, und dies verdankt sich ohne Frage den Enthüllungen über die Massenbespitzelung der NSA.

Argument: Misstrauen ist unbegründet

Wer vor einigen Monaten behauptet hätte, dass Geheimdienste sämtliche Internetverbindungen und Millionen Telefonate in Deutschland abschnorcheln, wäre ohne jedes Zögern als verrückter Verschwörungstheoretiker bezeichnet worden, der mit seiner pathologischen Paranoia völlig unbegründetes Misstrauen sät.

Jetzt, wo sich die Aussagen dieses Verrückten allerdings als zutreffend und wahrheitsgetreu erwiesen haben, kann er sich freilich auch nichts dafür kaufen. Denn nun heißt es: Dass Geheimdienste spitzeln, war doch sowieso schon immer klar!

Diese Wandlung hat schon Arthur Schopenhauer beschrieben: „Alle Wahrheit durchläuft drei Stufen. Zuerst wird sie lächerlich gemacht oder verzerrt. Dann wird sie bekämpft. Und schließlich wird sie als selbstverständlich angenommen.“

Memo der CIA

In Sachen NSA scheint es dem Begriff „Verschwörungstheorie“ jetzt ähnlich zu ergehen. Von einer neutralen Beschreibung einer auf Indizien und Verdachtsmomenten beruhenden Hypothesenbildung zum diffamierenden Kampfbegriff im politischen Diskurs wurde er Anfang 1967 gemacht.

Damals hatte die CIA in einem Memo an alle ihrer Stationen auf die wachsende Skepsis gegenüber der Warren-Kommission reagiert, die Lee Harvey Oswald als Einzeltäter des Kennedys-Attentats identifiziert hatte – und ihren Agenten und Presseleuten empfohlen, statt dem bis dahin im Zusammenhang mit der JFK-Ermordung gebräuchlichen Begriff „assassination theories“ fortan „conspiracy theories“ zu verwenden und deutlich zu machen, dass diese Verschwörungstheoretiker nicht an der Wahrheitsfindung interessiert sind, sondern ausschließlich staatsfeindlichen oder kommerziellen Interessen folgen.

Seitdem hat sich der Begriff als Denunziationsvokabel, mit der jede Debatte beendet werden kann, fest eingebürgert. Und sollte sich herausstellen, dass die Theorie richtig lag und es tatsächlich eine Verschwörung gab, heißt es: Das ist doch gar nichts Neues, war doch schon immer klar.

8 Aug 2013

AUTOREN

Mathias Bröckers

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