taz.de -- Chronologie BND statt NSA: Das Daten-Durcheinander

Die NSA speichere pro Monat 500 Millionen Verbindungsdaten in Deutschland, hieß es. Die Geschichte eines Missverständnisses.
Bild: Einst von der NSA betriebene Schnüffelanlage im bayerischen Bad Aibling.

Sonntag, 30. Juni: Rund 500 Millionen Telefon- und Internetverbindungsdaten aus der Bundesrepublik sammle der US-Geheimdienst NSA pro Monat, berichtet der Spiegel mit Verweis auf Dokumente des Ex-NSA-Mitarbeiters Edward Snowden. Damit seien „erstmals Zahlen zum Ausmaß der amerikanischen Überwachung in Deutschland bekannt“.

Die Geschichte hat das Potenzial zum Mega-Skandal: Träfe sie so zu, dann sammelte der Abhördienst NSA Tag für Tag millionenfach Daten darüber, wer hierzulande wann wo mit wem telefoniert, simst oder mailt. Der große Bruder aus den USA würde heimlich eine Vorratsdatenspeicherung betreiben, wie sie seit einem Verfassungsgerichtsurteil noch nicht mal dem deutschen Staat erlaubt ist.

Montag, 1. Juli: In der Regierungspressekonferenz gibt es fast nur ein Thema: Die NSA-Spähaffäre. „Berichte, die sich mit dem massenhaften Zugriff auf die Daten deutscher Nutzer befassen, werden von der Bundesregierung sehr ernst genommen“, sagt der Sprecher von Kanzlerin Angela Merkel, Steffen Seibert. Die Bundesregierung habe dem Weißen Haus ihr „Befremden“ übermittelt.

Sonntag, 14. Juli: SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück entscheidet sich, Merkel im Wahlkampf mit dem Thema frontal zu attackieren. „Frau Merkel hat als Kanzlerin den Amtseid geschworen, Schaden vom deutschen Volke abzuwenden“, sagt Steinbrück der Bild am Sonntag. „Schaden vom Volke abzuwenden – das stelle ich mir anders vor. Jeden Monat wurden 500 Millionen persönliche Verbindungsdaten von uns abgesaugt.“

Montag, 29. Juli: Der Spiegel druckt das Dokument aus dem Snowden-Archiv ab, aus dem die Zahl 500 Millionen hervorgeht. Gleichzeitig nennt das Magazin die internen NSA-Kürzel für die Datensammelstellen („Sigads“) aus Deutschland: „US-987LA“ und „US-987LB“.

Samstag, 3. August: Der BND gibt bekannt, dass sich wohl seine Standorte im bayerischen Bad Aibling und in Afghanistan hinter den Kürzeln „US-987LA“ und „US-987LB“ verbergen. Nicht die NSA hat also 500 Millionen Verbindungsdaten abgesaugt, sie wurden vom deutschen Geheimdienst erhoben und an die US-Amerikaner weitergeleitet. Der BND beteuert, dass es dabei aber nicht um Daten von Deutschen in Deutschland gehe, sondern von Ausländern im Ausland, „insbesondere in Krisengebieten“. Auch das wirft Fragen auf – ist aber etwas völlig anderes als der Verdacht, die NSA speichere Monat für Monat eine halbe Milliarde Telefon- und Internetverbindungsdaten in Deutschland.

Montag, 5. August: SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles fordert die Regierung auf, Verantwortliche für die Daten-Weitergabe vom BND an die NSA zu benennen: „Es muss jemanden geben, der das genehmigt hat, autorisiert hat. Wenn ja, dann wüsste ich gerne, wer das war.“

Mittwoch, 7. August: Regierungssprecher Georg Streiter kommt Nahles’ Wunsch gerne nach: Die im April 2002 vereinbarte Kooperation von BND und NSA gehe auf eine Grundsatzentscheidung des damaligen Kanzleramtschefs und heutigen SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier zurück.

Auf Nachfrage sagt Steinmeier der taz: „Das reiht sich ein in die Bemühungen der Bundesregierung, den NSA-Abhörskandal auf Vorgängerregierungen abzuschieben.“

7 Aug 2013

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Wiedmann-Schmidt

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