taz.de -- Strategien gegen Überwachung: Machtlos gegenüber US-Spitzeln
Auch wenn die USA aus ihrer Botschaft heraus Straftaten begehen sollten: Diplomatische Regelungen verhindern ein Vorgehen der deutschen Behörden.
Journalisten konnten es nicht fassen: Sind deutsche Behörden wirklich machtlos gegen die Abhöranlage, die der Spiegel auf dem Dach der Berliner US-Botschaft entdeckt hat? Der Sprecher des Auswärtigen Amts versuchte es mit einem Scherz: „Die Abhöranlage – wenn es denn eine solche gäbe –, die begeht ja selber keine Straftat, sondern es sind Menschen, die die Straftaten begehen.“
Aber das ist nicht das Problem. Natürlich kann die Polizei auch Gegenstände beschlagnahmen, mit denen Straftaten begangen werden. Das Problem ist, dass die mutmaßliche Abhöranlage in der US-Botschaft steht. Und in Botschaften kann das deutsche Recht nur sehr eingeschränkt durchgesetzt werden.
Grundlage für diesen Sonderstatus ist das Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen, das 1961 im Rahmen der UNO geschlossen wurde. Es sichert die Botschaften und ihre Diplomaten vor fast jedem Zugriff des „Empfangsstaats“, also Deutschlands.
So heißt es in diesem Abkommen ausdrücklich „Die Räumlichkeiten der Mission sind unverletzlich. Vertreter des Empfangsstaats dürfen sie nur mit Zustimmung des Missionschefs betreten“ (Artikel 22). Missionschef, das ist in diesem Fall der US-Botschafter John Emerson. Wenn die deutsche Polizei nachsehen wollte, ob die Beschreibung des Spiegels stimmt, müsste sie – auf dem Dienstweg über das Auswärtige Amt – also höflich anfragen, ob sie bitte mal die Botschaft betreten darf. Das würde der Botschafter wohl ebenso höflich verneinen. Und deshalb würde die Bundesregierung die Bitte erst gar nicht aussprechen.
Der Schutz der Botschaften ist eine grundlegende Errungenschaft des Völkerrechts. Auch Wikileaks-Gründer Julian Assange, der seit rund einem Jahr Zuflucht in der ecuadorianischen Botschaft in London gefunden hat, profitiert davon.
Strafverfolgung in Botschaft nicht möglich
In der US-Botschaft ist eine deutsche Strafverfolgung prinzipiell nicht möglich. Denn auch Diplomaten sind geschützt. „Der Diplomat genießt Immunität von der Strafgerichtsbarkeit des Empfangsstaats“, heißt es im Wiener Abkommen. Das bedeutet: Der Botschafter und seine Mitarbeiter dürfen auch außerhalb des Botschaftsgebäudes nicht von der deutschen Justiz behelligt werden, zumindest nicht für Taten, die sie im Dienst begangen haben.
Zwar sind auch Botschafter und sein Personal verpflichtet, „die Gesetze und andere Rechtsvorschriften des Empfangsstaats zu beachten“. Es bleibt aber beim bloßen Appell, der nicht durchsetzbar ist. Auch Generalbundesanwalt Harald Range hat nach Bekanntwerden des Handy-Skandals kein Ermittlungsverfahren eingeleitet, sondern erst einmal nur einen Prüfvorgang. Das heißt, er sammelt Informationen. Ein Ermittlungsverfahren wird er nur einleiten, wenn beim Abhören der Kanzlerin auch Personen beteiligt waren, die nicht Immunität genießen.
Nur eine scharfe Reaktionsmöglichkeit hat die Bundesregierung. Sie kann den Botschafter und sein Personal „jederzeit und ohne Angabe von Gründen“ zu unerwünschten Personen erklären. So kann Deutschland auch auf mögliche Straftaten reagieren.
Bevor es allerdings zu diesem äußerst konfrontativen Schritt kommt, würden die USA betroffene Mitarbeiter wohl selbst abziehen. Noch ist allerdings nicht bewiesen, dass die Anschuldigungen des Spiegels zutreffen. Zur Aufklärung kann die Bundesregierung natürlich auf diplomatischem Weg Fragen an die USA stellen. Der Verfassungsschutz kann allerdings auch versuchen, selbst etwas herauszufinden – immerhin ist er für die Spionageabwehr zuständig. Am Montag ließ er Medienberichten zufolge einen Hubschrauber mit Spezialkameras das US-Botschaftsgelände überfliegen – am Abend dementierte er diese Berichte. Einen ähnlichen Observationsflug hat der Verfassungsschutz Anfang September über dem Frankfurter US-Konsulat absolviert – ohne eindeutiges Ergebnis.
28 Oct 2013
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