taz.de -- Medaillengewinner gegen Homogesetze: Einer bricht das Schweigen

Nick Symmonds widmet seine WM-Silbermedaille seinen homosexuellen Freunden. Eine klare Haltung zu Russlands Homogesetzen hat der Sport aber nicht.
Bild: Mehr als nur Flagge zeigen: Nick Symmonds nutzt seinen Medaillengewinn für ein politisches Statement.

Das Feiern der Erfolge bei Leichtathletik-Großereignissen ist längst ritualisiert. Den Medaillengewinnern wird ein Stück Stoff in den Farben ihres Heimatlandes in die Hand gedrückt, dann machen die Glücklichen sich auf die Ehrenrunde. Natürlich hat das am Dienstagabend in Moskau auch Nick Symmonds so gemacht, nachdem er das WM-Finale über 800 Meter hinter dem Äthiopier Mohammed Aman als Zweiter beendet hatte.

Doch dann geschah etwas Ungewöhnliches. Als ein Reporter des russischen Internet-Portals r-sport.ru dem US-Amerikaner nach dem Rennen das Mikrofon unter die Nase gehalten hat, sagte dieser: „Ich glaube, dass alle Menschen die gleichen Rechte haben sollten, egal wie sie Gott geschaffen hat.“ Und widmete seine Silbermedaille seinen schwulen und lesbischen Bekannten in den USA.

Es war das erste Mal, dass während dieser Leichtathletik-WM in Moskau zumindest indirekt Kritik geübt worden ist an den jüngst in Kraft getretenen, russischen Gesetzen, die es verbieten, Homosexualität in Anwesenheit von Minderjährigen zu thematisieren. Zum Start der WM hatte es in vielen Städten außerhalb Russlands Protestkundgebungen gegeben, auf denen auch ein Boykott bzw. die Verlegung der Olympischen Winterspiele, die im Februar 2014 in Sotschi stattfinden sollen, gefordert worden ist.

Dabei hatten Aktivisten in den USA den Mittelstreckenläufer Symmonds noch kritisiert. Der hatte sich in Kampagnen für die Gleichstellung nicht-heterosexueller Partnerschaften eingesetzt, dann aber in einem Blogeintrag angekündigt, in Russland selbst seine Stimme nicht gegen das neue Gesetz zu erheben.

Das gezieme sich nicht für einen Gast in einem fremden Land. „Ich würde ja auch keine Essenseinladung annehmen, um dann die Freunde in deren Haus darüber belehren, wie sie ihre Kinder aufzuziehen haben“, hatte er geschrieben, bevor er nach Moskau aufgebrochen ist und sich eingereiht in die Phalanx der schweigenden Athleten, die derzeit im riesigen Luschniki-Stadion um Medaillen kämpfen. Jetzt genießt Symmonds Heldenstatus bei den Aktivisten.

Herumgereichte Ausnahme

Robbie Rogers, Fußballer bei Los Angeles Galaxy in der US-Profiliga, ist für viele schwule Sportler schon länger ein Held. Der Stürmer hatte im Februar ein viel beachtetes Coming Out und wird seitdem als einziger offen schwuler Profi in den großen US-Ligen regelrecht herumgereicht. Nun hat er sich in einem Gastbeitrag für die Zeitung [1][USA Today] in die Debatte um einen Boykott der Spiele von Sotschi eingeschaltet. Eine derartige Maßnahme lehnt er ab und schildert seine Erinnerungen an die Spiele von Peking, bei denen er zum Aufgebot des US-Fußballteams gehörte.

„Wenn ich daran zurückdenke, läuft mir immer noch ein Schauer über den Rücken“, schreibt er. Auch deshalb ist er gegen einen Olympiaboykott, aber weil er weiß, wie schwierig diese Zeit war, als keiner seiner Teamkameraden, als nicht einmal seine Familie wusste, dass er schwul ist, schreibt er was er tun würde, wenn er in Sotschi antreten würde: „Ich würde kein Geheimnis daraus machen, dass ich schwul bin, ich würde jede Gelegenheit nutzen, um dem Menschen die Wahrheit über mein Leben seit meinem Coming Out im Februar zu erzählen. Und als aufrechter Athlet würde ich alles für für das Recht, frei von jeder Diskriminierung zu leben, tun. Ist Freiheit nicht überhaupt ein olympisches Ideal?“

Vom Internationalen Olympischen Komitee wünscht er sich, dass es den Sportlern das Zeigen politischer Symbole nicht verbietet, dass es die Sportler regelrecht dazu auffordert, die Regenbogenfarben zu zeigen. Er wird wissen, dass das nicht besonders realistisch ist. Auch werden nicht alle Sportler mitmachen. Sportler denken so.

Ryan Wilson, der für die USA in Moskau Silber über 110 Meter Hürden gewonnen hat, sagte: „Welches Zeichen sollen wir setzen, damit sich wirklich etwas tut? Ein Bändchen tragen? Es passieren so schlimme Dinge auf der Erde. Das ganze Trikot wäre dann voller Bändchen, wenn wir gegen Dinge wie Völkermord oder Kindersoldaten öffentlich ein Zeichen setzen wollen.“ Natürlich ist auch er gegen einen Sotschi-Boykott.

Einen solchen will das IOC um jeden Preis verhindern. So laufen immer noch Gespräche mit der russischen Regierung. Russland soll die Sicherheit von schwulen Sportlern und Zuschauern garantieren. Um die ist auch der Internationale Fußballverband besorgt, der die Weltmeisterschaft 2018 in Russland austragen lässt. Die Fifa hat die russische Regierung „um eine Klarstellung und mehr Details über das neue Gesetz gebeten“, wie der Verband mitteilte.

14 Aug 2013

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[1] http://www.usatoday.com/

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Andreas Rüttenauer

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