taz.de -- Browser von The Pirate Bay: Freiheit nur mit Englischkenntnissen
Mit dem „PirateBrowser“ können Nutzer Netzsperren umgehen. Ein Befreiungsschlag in Zeiten zunehmender Zensur oder Profitgier?
BERLIN taz | „Keine Zensur mehr,“ fordern die Betreiber der Filesharing-Plattform The Pirate Bay – und sprechen dabei gezielt Menschen im Iran und in Nordkorea an. Mit dem neuen „[1][PirateBrowser]“ können diese die „Zensur umgehen“ und Internetseiten besuchen, die in ihren Ländern gesperrt sind.
Pünktlich zum zehnten Geburtstag der Plattform haben die Betreiber den Browser auf einer Internetseite zum Download bereitgestellt. Es handelt sich dabei um eine Kombination aus dem kostenlosen Browser „Firefox“ und der ebenfalls kostenfreien Anonymisierungssoftware „TOR“, mit der man unerkannt im Netz surfen kann.
Weiter unten auf der Seite finden die User eine englischsprachige Anleitung zum Herunterladen und Installieren des Browsers. Eine taz-Anfrage zum Browser allgemein und besonders zu der Frage, ob die Anleitung bald auch auf Farsi und Koreanisch angezeigt wird, ließen die Betreiber von The Pirate Bay (TPB) vorerst unbeantwortet.
Der Mitgründer von The Pirate Bay, Peter Sunde, der das Projekt vor einigen Jahren im Streit verlassen hat und heute beim Mikrobezahldienst flattr arbeitet, sieht den Vorstoß mit dem eigenen Browser der Plattform kritisch. „Ich befürchte, dass es dabei um die Maximierung von Werbeeinnahmen geht“, sagt Sunde auf taz-Anfrage.
Das würde dem heutigen Kurs der Betreiber entsprechen, die sich nicht so sehr um „wichtige Öffentlichkeits- und Informationsarbeit“ kümmerten. Die Ankündigung der Plattform-Betreiber, weltweit den Usern im Kampf gegen Zensur helfen zu wollen, kommentiert Sunde kritisch: „Ich kann überhaupt nichts mehr glauben, was von Pirate Bay kommt.“
Pirate Bay in England gesperrt
Technisch gesehen sei das Angebot von TPB schlecht. Auf der Internetseite, wo man den „PirateBrowser“ herunterladen kann, verweisen die Macher darauf, dass man damit nicht anonym surfen kann. Die Software helfe lediglich dabei, Netzsperren zu umgehen. Auf den aufgerufenen Internetseiten sei man allerdings nicht mehr mit verschleierter virtueller Identität unterwegs. „Ich denke es ist dumm, neben dem normalen TOR noch einen anderen Browser zu starten“, sagt Sunde. „Es ist nur eine billige Kopie mit einem Plug-In, ohne Support und mit weniger Updates“, findet er.
Der Download des „PirateBrowsers“ wird auf der Internetseite speziell auch Menschen in den Niederlanden, in Belgien, Finnland, Dänemark, Italien, Irland und England empfohlen. In Großbritannien wurden fünf führende Internetdienstanbieter nach einem Gerichtssieg der Musikindustrie im April 2012 angewiesen, ihren Nutzern den Zugang zu TPB zu sperren, schreibt der [2][Guardian].
Die britische Piratenpartei startete zu dieser Zeit einen eigenen Proxy-Server, über den User trotz der Sperre die Seite von Pirate Bay aufrufen konnte. Allerdings musste dieser Server bald wieder abgeschaltet werden, nachdem der Musiklobbyverband British Phonographic Industry (BPI) mit rechtlichen Schritten drohte. Der Guardian beschreibt den PirateBrowser als „[3][Hammerschlag]“ gegen die Bestrebungen der Branche gewertet, das Ausmaß von Raubkopien einzudämmen.
Bruno Kramm von der deutschen Piratenpartei sieht den neuen Browser hingegen als „eine Form von digitaler Notwehr“. Es entspreche den Bedürfnissen der Menschen, Netzsperren zu umgehen, „die es ja auch bei uns gibt“, sagt er. Zum Beispiel, wenn jemand ein YouTube-Video sehen möchte, dass in Deutschland gesperrt ist. „Für die Content-Industrie ist die Pirate Bay der Feind Nummer Eins“, sagt Kramm. Die Plattform, die eigentlich nur eine Linksammlung sei, werde mit allen Mitteln bekämpft.
Mit CDs und USB-Sticks für die Freiheit
So wie bei der Pirate Bay nicht das Besitzen von Inhalten, sondern das Teilen im Vordergrund steht, so spielt auch Bruno Kramms Plakat für den Bundestagswahlkampf mit der Aufschrift „Teilen ist das neue Haben“ auf das Konzept der „Share Economy“ an. „Das betrifft natürlich nicht nur den Bereich des Filesharing“, sagt Kramm. Die Gesellschaft müsse sich in vielen Bereichen lösen von einer marktwirtschaftlichen Logik und zu einem gemeinsamen „Hegen und Pflegen“ von Gütern kommen. Vom Car-Sharing über selbstverwaltete Kindergärten bis hin zu regionalen Wirtschaftskreisläufen.
„Es bleibt zu hoffen, dass die Pirate Bay nicht nur ein europäisches Phänomen bleibt, sondern, dass sie ihre Verantwortung ernst nehmen – es geht nicht nur um Inhalte der Unterhaltungsindustrie, sondern auch um Bildungsinhalte“, sagt Kramm. Die Betreiber der Plattform sollten verstärkt in diese Richtung arbeiten, fordert er, ähnlich wie auch der einstige Mitgründer Peter Sunde. Regime wie im Iran können den Download des PirateBrowsers zwar blockieren, gibt Kramm zu bedenken. „Aber man kann ihn ja auch über CDs oder USB-Sticks verbreiten“, schlägt er vor.
In einem [4][Blog-Eintrag] auf der Seite von TPB, der einen Link zum PirateBrowser enthält, prangt zwar auch „Keine Zensur mehr“ in der Überschrift. Doch der Aufruf hat nichts mehr mit unterdrückten Menschen in Ländern wie dem Iran oder Nordkorea zu tun. „Kennst du jemand, der The Pirate Bay oder andere Filesharing-Seiten nicht nutzen kann, weil sie gesperrt sind“, heißt es da. „Empfehle ihm den PirateBrowser“ – so machen die Betreiber hier unverblümt Werbung in eigener Sache.
15 Aug 2013
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