taz.de -- Umstrittener Giftgaseinsatz in Syrien: Hätte, wäre, könnte

US-Außenminister Kerry entwirft ein Szenario, wie Assad einen Militärschlag der USA verhindern könnte. Syrien unterhält sich aber lieber mit Russland.
Bild: Besuch I: US-Außenminister Kerry beim Amtskollegen Hague in London.

MOSKAU/LONDON/GENF dpa | Der syrische Präsident Baschar al-Assad könnte nach den Worten von US-Außenminister John Kerry einen US-Militärschlag verhindern, wenn er binnen einer Woche seine chemischen Waffen der internationalen Gemeinschaft aushändigen würde. „Aber er ist nicht im Begriff, das zu tun, und es ist offensichtlich auch nicht möglich“, sagte Kerry am Montag bei einer Pressekonferenz mit seinem britischen Amtskollegen William Hague in London.

Kerry ließ keinen Zweifel daran, dass Assad für den Einsatz von Chemiewaffen verantwortlich sei. „Wir wissen, wo die Raketen herkamen und wo sie einschlugen“, sagte er. Das Regime habe dann versucht, mit einem viertägigen Beschuss die Spuren zu verwischen.

Kerry wies aber erneut darauf hin, dass ein Militärschlag alleine die Probleme in Syrien nicht beheben könne. „Es gibt keine militärische Lösung“, sagte er. Assad müsse an den Verhandlungstisch gezwungen werden mit dem Ziel, eine Übergangsregierung in Syrien zu installieren.

Unterdessen haben Außenminister Russlands und Syriens bei einem Treffen in Moskau die USA erneut mit Nachdruck vor einem Militärschlag gegen die Führung in Damaskus gewarnt. Ein US-Angriff gefährde auch das Leben russischer Staatsangehöriger in dem Bürgerkriegsland, sagte der russische Außenminister Sergej Lawrow am Montag der Agentur Interfax zufolge. „Das beunruhigt uns“, sagte der Chefdiplomat im Beisein seines syrischen Kollegen Walid al-Muallim.

Keine Alternative

„Es gibt keine Alternative zu einer friedlichen Lösung des syrischen Konflikts“, betonte Lawrow. Ein militärisches Eingreifen sei unzulässig. Russland lehnt zwar eine eigene Beteiligung an dem Krieg ab, unterstützt das Regime von Baschar al-Assad aber mit Waffen.

Es gebe „mehr als ausreichend“ Beweise, dass syrische Rebellen und nicht Regierungstruppen für den angeblichen Chemiewaffeneinsatz im August verantwortlich seien, behauptete Lawrow. Als Beispiel nannte er Berichte von Augenzeugen sowie Videoaufzeichnungen. Russland werde sich auf keinen „Kuhhandel“ mit den USA einlassen. „Wir treten weiter konsequent für eine Friedenskonferenz ein“, sagte Lawrow.

Syriens Außenminister Walid al-Muallim bekräftigte die Bereitschaft zur Teilnahme an der geplanten Genfer Friedenskonferenz zur Lösung der Krise. „Es ist aber möglich, dass eine Rakete fliegt und diese Konferenz platzt“, sagte er.

Beschluss des russischen Parlaments angekündigt

Der Vorsitzende der Staatsduma in Moskau, Sergej Naryschkin, kündigte für die nächsten Tage einen Beschluss des russischen Parlaments zu Syrien an. „Wir bedauern sehr, dass die US-Kollegen unser Dialogangebot ausgeschlagen haben. Vermutlich sind sie sich der Schwäche ihrer Argumente bewusst“, sagte Naryschkin.

Kremlchef Wladimir Putin hatte am Freitag erklärt, dass Russland seinem Verbündeten Syrien im Falle eines US-Angriffs helfen wolle. Er ließ aber offen, wie dies aussehen soll. Ein Gesetz von 2009 würde eine Militäraktion zum Schutz eigener Bürger in Syrien erlauben.

UN-Kommissarin warnt vor Angriff

Auch die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Navy Pillay, hat vor einem Militärschlag gegen Syrien gewarnt. Damit sowie durch weitere Waffenlieferungen in das Bürgerkriegsland könne ein „ein regionaler Flächenbrand entzündet werden, der zu viel mehr Toten und noch mehr Elend führt“, sagte Pillay in Genf.

Ihrzufolge gebe es kaum noch Zweifel, dass in Syrien chemische Waffen eingesetzt worden seien. Und das sei eines der schwersten aller Verbrechen, sagte die UN-Hochkommissarin bei der Eröffnung der 24. Sitzung des UN-Menschenrechtsrates. Allerdings müssten erst noch „alle Umstände und Verantwortlichkeiten geklärt werden“.

Pillay forderte Verhandlungen zur Beendigung des Krieges in Syrien. Ohne die USA oder Russland namentlich zu nennen, forderte sie „mächtige Staaten“ auf, trotz aller Differenzen und unterschiedlichen Interessen ihre „moralische Pflicht zu erfüllen und Leben zu retten, indem sie diesen Konflikte stoppen“.

Gemeinsam mit den UN müsse ein Weg gefunden werde, die kriegführenden Parteien an den Verhandlungstisch zu bringen. Mit mehr als 100 000 Toten sowie mehr als sechs Millionen Flüchtlingen und Vertriebenen habe das Leid der syrischen Bevölkerung ein unvorstellbares Ausmaß erreicht.

Vertreter der 47 Staaten des UN-Menschenrechtsrates werden in den nächsten drei Wochen die Menschenrechtslage in mehreren Regionen der Welt erörtern. Deutschland gehört dem Gremium seit Anfang 2013 für drei Jahre an. Resolutionen des Menschenrechtsrates sind – anders als jene des UN-Sicherheitsrates – nicht völkerrechtlich bindend.

9 Sep 2013

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