taz.de -- Befangenheitsantrag im Zschäpe-Prozess: Streit ums Geld

Lediglich 5.000 Euro soll ein Verteidiger von Zschäpe für seine Arbeit im gesamten Verfahren bekommen. Die Anwälte wehren sich mit einem Befangenheitsantrag.
Bild: Die Angeklage Beate Zschäpe mit ihren Anwälten Wolfgang Stahl (l) und Wolfgang Heer.

MÜNCHEN dpa | Nach einem Streit über die Rechtsanwaltsvergütung im NSU-Prozess haben die Verteidiger der Hauptangeklagten Beate Zschäpe einen Befangenheitsantrag gegen sämtliche Richter des Strafsenats gestellt. Das Gericht hatte dem Zschäpe-Verteidiger Wolfgang Stahl für seine Arbeit während des Ermittlungsverfahrens 5.000 Euro Vorschuss bewilligt – für den Zeitraum von etwa einem Jahr.

Nach Ansicht der Anwälte ist dies zu wenig, um auch nur die laufenden Kanzleikosten zu decken. Dies führe „faktisch zu einer wesentlichen Beschränkung und Behinderung“ der Verteidigung, heißt es in dem Antrag, der der Nachrichtenagentur dpa vorliegt.

Anwalt Stahl hatte einen Vorschuss von mindestens 77.000 Euro gefordert. Nach seiner Darstellung – die das Gericht ausdrücklich für „nachvollziehbar“ hält – hatte er im Ermittlungsverfahren etwa 770 Stunden an dem Fall gearbeitet.

Endgültig festgelegt wird die Vergütung erst nach Ende des Prozesses - doch erfahrungsgemäß ist nicht damit zu rechnen, dass dann noch sehr viel Geld nachkommt.

Kanzleikosten laufen weiter

„Wir wussten, dass man von einer Pflichtverteidigung nicht reich wird“, sagte Zschäpes Anwältin Anja Sturm in einer Verhandlungspause. „Aber wir müssen weiterhin unsere monatlichen Kanzleikosten und unseren Lebensunterhalt bestreiten, und das ist auf Basis dieser Entscheidung nicht möglich.“

Außerdem kritisieren die Anwälte eine Formulierung aus dem Beschluss des Gerichts. Darin heißt es, das Verfahren sei „im Hinblick auf die tatsächlichen Probleme des Tatnachweises besonders schwierig“. Diese Formulierung begründe die Sorge, das Gericht sei „innerlich nicht mehr neutral“, heißt es in dem Antrag der Verteidiger.

Der Richter, der den Beschluss formuliert hat, sei „offenkundig davon überzeugt, dass dem Senat ein Tatnachweis ,gelingen' werde“.

Zschäpe ist als mutmaßliche Mittäterin bei den Mordanschlägen des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) angeklagt. Der Neonazi-Terrorgruppe werden unter anderem zehn Morde zur Last gelegt.

Nebenkläger sprechen von Verzögerung

Nebenklageanwältin Seda Basay bezeichnete den Befangenheitsantrag der Zschäpe-Verteidigung als „peinlich“. "In der Sache stimmt es, dass 5.000 Euro Vergütung für das Ermittlungsverfahren zu wenig sind. Aber das ist kein Befangenheitsgrund. Der Antrag dient einfach der Verzögerung des Verfahrens.“

Eigentlich wollte sich das Gericht am Dienstag mit dem Mord an Mehmet Turgut am 25. Februar 2004 befassen. Zwei seiner Brüder sind deshalb als Nebenkläger im Gerichtssaal erschienen. Ob die Verhandlung wie geplant mit Zeugenvernehmungen fortgesetzt wird, war zunächst nicht abzusehen.

Am Nachmittag wurde die Verhandlung erneut unterbrochen: Aufgrund der Stellungnahmen der Richter zu dem ersten Befangenheitsantrag kündigte Zschäpes Verteidiger Wolfgang Heer einen zusätzlichen Befangenheitsantrag an.

17 Sep 2013

TAGS

NSU-Prozess
Beate Zschäpe
Verteidiger
Befangenheitsantrag
Schwerpunkt Rechter Terror
Nationalsozialistischer Untergrund (NSU)
Nationalsozialistischer Untergrund (NSU)
Beate Zschäpe
NSU-Prozess
NSU-Prozess
Beate Zschäpe
Anja Sturm
NSU-Prozess

ARTIKEL ZUM THEMA

NSU und Geheimdienst: Die große Verschwörung

Der Mord an Halit Yozgat nährt in rechten Kreisen die Vermutung, der NSU sei vom Geheimdienst kontrolliert worden.

Neue Zeugin im NSU-Prozess: Anhörung schon Ende September

Sie will Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt 2006 in Dortmund gesehen haben. Nun hat das Gericht in München die Frau zeitnah geladen.

Verzögerung im NSU-Prozess: Anträge abgelehnt

Die Befangenheitsanträge der Verteidigung im NSU-Prozess wurden abgelehnt. Die Aussage einer Nachbarin belegt Zschäpes Anwesenheit in der Nähe von Tatorten.

NSU-Prozess fortgesetzt: Wichtige Zeugin tritt auf

Der NSU-Prozess geht weiter mit einer bedeutsamen Zeugin: Die Frau hatte der Polizei schon früh gesagt, die Täter seien „keine Südländer“ gewesen.

Kommentar NSU: Rot-grüne Augenwischerei

Der Bremer Versuch, den Verfassungsschutz transparenter zu machen und besser zu kontrollieren, ist politisch naiv. Oder durchtrieben.

Sommerpause im NSU-Prozess: Dienst nach Vorschrift

Kritiker bemängeln, dass der Generalbundesanwalt bloß die Anklageschrift abarbeiten will. Die Suche nach weiteren Terror-Helfern unterstütze er nicht.

Solidarität für Zschäpe-Anwältin: Sturm kriegt Rückenwind

Anja Sturm erhält Unterstützung vom Berliner Anwaltsverein. Eine Kritik aufgrund der Strafverteidigung einer bestimmten Person verbiete sich, erklärt er.

Zschäpe-Verteidigerin verlässt Berlin: Enttäuschung in der Kanzlei

Einvernehmlich trennen sich Anwältin Anja Sturm und ihre Berliner Kanzlei. Der Grund ist ihr Mandat als Verteidigerin im NSU-Prozess.

NSU-Prozess in München: Festung Frühlingsstraße

Die Rekonstruktion der ausgebrannten Wohnung des Trios in Zwickau zeigt eine spießige Idylle, die gut gesichert war. Trotz des Feuers blieben viele Spuren.