taz.de -- Deutscher Buchpreis für Terézia Mora: „Tief bewegend und zeitdiagnostisch“

„Das Ungeheuer“ ist der beste deutschsprachige Roman des Jahres. Die Jury würdigt die Autorin Terézia Mora, die den Preis im im zweiten Anlauf gewinnt.
Bild: Siegerin des Deutschen Buchpreises 2013: Terézia Mora.

FRANKFURT AM MAIN dpa | Der tragische Held in ihrem Roman hat Terézia Mora Glück gebracht. Für ihr 700-Seiten-Werk „Das Ungeheuer“ gewann die aus Ungarn stammende Autorin am Montagabend in Frankfurt den Deutschen Buchpreis 2013. Mit ihrer Romanfigur Darius Kopp nahm Mora im Wettbewerb um den besten deutschsprachigen Roman des Jahres bereits den zweiten Anlauf. Schon 2009 hatte sie mit dem Vorgängerbuch „Der einzige Mann auf dem Kontinent“ auf der Longlist des Buchpreises gestanden.

Damals war der übergewichtige IT-Spezialist Darius Kopp in Berlin der lebenslustigen ungarischen Kellnerin Flora begegnet, die ihm über seine Arbeitslosigkeit hinweghalf und schließlich seine Frau wurde. Im „Ungeheuer“ reist nun Darius Kopp, inzwischen Alkoholiker, auf den Spuren seiner toten Frau in deren Heimat Ungarn. Die depressive Flora hat sich das Leben genommen; nun sucht ihr Mann einen Ort für die Urne der Toten.

Mora hat aus dieser Geschichte eine Road-Novel gemacht, die durch ganz Südosteuropa führt. Kopp trifft dort die unterschiedlichsten Menschen und liest während der Fahrt das Tagebuch seiner Frau, von dem er zuvor nichts wusste. Das Besondere am Roman „Das Ungeheuer“ ist, dass Mora praktisch zwei Bücher zu einem vereint: Darius Kopps Erzählung werden - getrennt durch einen schwarzen Strich - die Tagebucheinträge seiner verstorbenen Frau gegenübergestellt.

Die 42-jährige Autorin habe einen „tief bewegenden und zeitdiagnostischen Roman“ geschrieben, würdigte die Jury. Indem sie zwei Textformen miteinander in Verbindung setze, vereine Mora „hohes literarisches Formbewusstsein mit Einfühlungskraft“.

Favoritensieg

Mora hatte zu den beiden Favoriten unter den sechs Titeln der Endausscheidung gehört. Den Kürzeren zog nun Clemens Meyer, der mit seinem gewaltigen Panorama der Rotlicht-Szene in Deutschlands Osten („Im Stein“) nach der Wendezeit ebenfalls hochgehandelt wurde. Ebenfalls nominiert waren Mirko Bonné („Nie mehr Nacht“), Reinhard Jirgl („Nicht von euch auf Erden“), Marion Poschmann („Die Sonnenposition“) und Monika Zeiner („Die Ordnung der Sterne über Como“).

Die Jury sichtete mehr als 200 neue Romane von Verlagen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Eine erste Longlist aus 20 ausgewählten Titeln war dann im September auf sechs Romane reduziert worden. Das Finale mit gleichzeitiger Verleihung des Preises findet seit 2005 im Kaisersaal des Frankfurter Rathauses (Römer) statt.

Im vergangenen Jahr erhielt Ursula Krechel für ihren Nachkriegsroman "Landgericht" die Auszeichnung. In dem Roman geht es um einen jüdischen Richter, der nach seiner Flucht aus Nazi-Deutschland wieder in seine Heimat zurückkehrt.

7 Oct 2013

TAGS

Terézia Mora
Roman
Buch
Sasa Stanisic
Terézia Mora
Roman
Hans Barlach
Wolfgang Herrndorf
Klagenfurt

ARTIKEL ZUM THEMA

Longlist des Deutschen Buchpreises: Trend zur Midlife-Krisen-Literatur

Der Vorauswahl fehlen Komik und Spielfreude. Migrantische Autoren spielen keine tragende Rolle. Und zwei wichtige Namen fehlen ganz.

„Vor dem Fest“ von Sasa Stanisic: Die Füchsin von Fürstenfelde

Der brillante Uckermark-Roman „Vor dem Fest“ von Sasa Stanisic wirft eine Frage auf: Darf man einem Autor vorwerfen, dass er weiß, wie gut er ist?

Deutsche Literatur der Gegenwart: Improvisationen über Liebe und Tod

Wir sehen Symbole, wo Willkür und kosmischer Zufall herrschen: „Die Ordnung der Sterne über Como“, der Debütroman von Monika Zeiner.

Buchpreis-Trägerin Terézia Mora: Ein Ereignis

In Ungarn geboren, schöpfen die Texte von Terézia Mora aus dieser Herkunft. Sie gibt ihren Figuren durch Sprache allen Raum und erzählt mitreißend.

Neuer Roman „Die Sonnenposition“: Sex mit einem Schwan

Marion Poschmanns Roman „Die Sonnenposition“ zeigt, wie viel Lyrik in einer Anstalt stecken kann. Die Autorin ist für den Deutschen Buchpreis 2013 nominiert.

Mythos Suhrkamp-Verlag: Der Stolz der Kunst

Suhrkamp ist für seine Autoren immer auch geistige und kulturelle Heimat gewesen. Damit das so bleibt, braucht es aber eine solide finanzielle Grundlage.

Berliner Schriftsteller gestorben: Wolfgang Herrndorf ist tot

Er erhielt 2012 den Preis der Leipziger Buchmesse, schrieb den Roman „Tschick“ und führte ein Weblog über seine Krebserkrankung. Nun ist Wolfgang Herrndorf gestorben.

Kommentar Ingeborg-Bachmann-Preis: Das achtunddreißigste Jahr

Für den ORF sind die Summen Peanuts, die sich in Klagenfurt einparen ließen. Etwas, was einmal weggespart wurde, kommt nicht wieder.