taz.de -- Malaysische Justizentscheidung: Bloß nicht Gott mit Gott verwechseln

Christen in Malaysia dürfen Gott weiter nicht als „Allah“ bezeichnen. Eine Klage der katholischen Wochenzeitung „Herald“ wurde abgewiesen.
Bild: In Putrajaya, nahe Kuala Lumpur, demonstrierten am Montag Befürworter der sprachlichen Abgrenzung vor dem Berufungsgericht

BANGKOK taz | Brisantes Urteil des Berufungsgerichts in Malaysia: Das Wort „Allah“ darf nur von Muslimen gebraucht werden. Damit bestätigten die Richter ein entsprechendes Verbot der Regierung, die Bezeichnung „Allah“ auch anderen Religionen zu gestatten. Zur Begründung hieß es, eine allgemeinere Verwendung könne zu Verwirrung führen oder gar zur Missionierung von Muslimen missbraucht werden.

Christen kritisieren das Urteil als nicht verfassungsgemäß: Die Rechte religiöser Minderheiten, die seit Jahrhunderten das Wort „Allah“ für Gott nutzten, würden beschnitten, ethnische Konflikte geschürt. Auch sei das Urteil unlogisch, weil 2011 die Verbreitung der al-Kitab, der ins Malayische übersetzten Bibel erlaubt wurde, so Lawrence Andrew, Herausgeber des katholischen Wochenblatts The Herald. 2009 hatte ein Gericht nach einer Klage des Herald auch Nicht-Muslimen erlaubt, „Allah“ als Bezeichnung für ihren Gott zu nutzen. Die Regierung ging in Berufung.

Dem Urteil folgte jetzt ein Sturm der Entrüstung – auch von Muslimen. „Da haben wir muslimische Richter, die Experten in christlicher Religion und Theologie sind“, monierte der frühere De-facto-Justizminister Zaid Ibrahim. Menschenrechtler nennen das Urteil „populistisch“. Dessen Befürworter suchten „den Eindruck zu erwecken, Christen wollten mit der Benutzung der Bezeichnung ’Allah‘ die Missionierung und Konvertierung von Muslimen zum Christentum vorantreiben“, kommentiert Ulrich Delius von der Gesellschaft für bedrohte Völker in Göttingen.

In dem Vielvölkerstaat Malaysia sind 60 Prozent der 29 Millionen Einwohner ethnische Malaien muslimischen Glaubens. Darüber hinaus gibt es chinesisch- und indischstämmige Malaysier sowie Indigene. 20 Prozent der Bevölkerung sind Buddhisten, 9 Prozent Christen. Die Religionszugehörigkeit gilt als Angelpunkt politischer Polarisierung. Nach dem Urteil zugunsten des Herald 2009 hatte es Brandanschläge auf christliche Kirchen sowie einige muslimische Einrichtungen gegeben.

Das jetzige Urteil erging wenige Monate nach umstrittenen Parlamentswahlen, bei denen der Rückhalt der jahrzehntelang regierenden „United Malays National Organisation“ selbst unter Muslimen bröckelte. Premier Najib Razak lastete die Stimmenverluste ethnischen Chinesen an. Das könne zu Spaltungen in der Gesellschaft führen, warnte er. Seine Kritiker meinen, er habe versucht, einen weiteren Keil zwischen die Ethnien zu treiben.

14 Oct 2013

AUTOREN

Nicola Glaß

TAGS

Malaysia
Islam
Katholische Kirche
Religionsfreiheit
Justiz
Katholizismus
Allah
Gott
Religionsfreiheit
OPCW
Saudi-Arabien
Muslime
Malaysia
Malaysia

ARTIKEL ZUM THEMA

Streit um „Allah“ in Malaysia: Herr im Himmel!

In Malaysia dürfen nur Muslime Gott „Allah“ nennen. Dass beide Begriffe dasselbe bedeuten, interessierte die höchsten Richter des Landes nicht.

Hacker über Plattform für eigene Religion: „Hipster-Kirche und Gott als Baum“

Der Hacker Ed Tewiah hat eine Internetplattform für Religionen gegründet. Jeder soll seine Religion vorstellen dürfen – egal, wie verrückt sie ist.

Kommentar Friedensnobelpreis: UNO geht immer

Die Organisation zum Verbot von Chemiewaffen bekommt den Friedensnobelpreis. Letztendlich ist diese Wahl eine gute Verlegenheitslösung.

Kommentar Frauen in Saudi Arabien: Winzige Schritte

Saudischen Aktivistinnen geht es um weit mehr als die Aufhebung des Fahrverbots für Frauen. Eine wirkliche Gleichberechtigung ist noch weit weg.

Orthopädische Gebetsteppiche: Extrapolster unterm Knie

Ein Muslim verkauft orthopädische Gebetsteppiche, um seine Glaubensbrüder vor Gelenkschmerzen zu bewahren – eine hart umkämpfte Marktlücke.

Maulkorb für Malaysias Opposition: „Anstachelung von Wut“ ist verboten

Beobachter sehen Unregelmäßigkeiten bei den Wahlen in Malaysia. Die Behörden haben Oppositionsproteste untersagt und drohen mit Festnahmen.

Wahlen in Malaysia: „Die 'Nationale Front' zersplittert“

Die regierende Koalition in Malaysia hat die Parlamentswahl am Sonntag gewonnen. Die Wahlbeteiligung erreichte mit 80 Prozent einen neuen Rekord.