taz.de -- Kommentar Winfried Kretschmann: Der Seehofer der Grünen
Winfried Kretschmann will sich mehr in die Bundespolitik einmischen, notfalls auf Kosten der eigenen Partei. So heizt er die Stimmung bei den Grünen an.
Winfried Kretschmann treibt ein gefährliches Spiel. Beim Versuch, im innerparteilichen Richtungskampf Geländegewinne zu erzielen, bedient der baden-württembergische Ministerpräsident sämtliche Klischees über die Ökopartei, die eigentlich längst keine Gültigkeit mehr haben.
Die Partei sei aus der Spur geraten, verbreitet Kretschmann [1][im aktuellen] [2][Spiegel]: Sie sei nicht wirtschaftsfreundlich genug. Und das, obwohl viele Unternehmen inzwischen gute Geschäfte mit Umwelttechnologien machten. Mit nichts lässt sich der linke Flügel der Partei öffentlich so gut vor sich hertreiben wie damit, ihn noch immer mehr oder weniger unverblümt als Fundi-Vereinigung zu beschreiben.
Natürlich weiß Kretschmann, dass es sich in Wirklichkeit um die Auseinandersetzung zwischen einem sozialdemokratischen Flügel, den Jürgen Trittin bisher repräsentierte, und einem bürgerlich-liberalen Flügel, für den Kretschmann steht, handelt. Und er dürfte auch wissen, dass er seinen Wahlerfolg in Baden-Württemberg nicht allein dem Pragmatismus der Südwest-Grünen verdankt, sondern auch Fukushima und dem gesellschaftlichen Großkonflikt um Stuttgart 21. In dem jedoch war mit Pragmatismus nicht viel zu gewinnen.
Für Kretschmann sind solche Interviews Win-win-Situationen: Selbst wenn er es nicht schafft, die Bundes-Grünen auf Kurs zu trimmen, festigt er seine Stellung im Südwesten. Dort muss er nach der Ausnahmewahl 2011 für 2016 auf mehr Stimmen aus dem bürgerlichen Lager zielen.
Seine Ankündigung, sich mehr in die Bundespolitik einzumischen, klingt wie die Drohung, zum Seehofer der Grünen zu werden: jemand, der notfalls auf Kosten der Bundespartei seine lokale Macht absichert. Den Bundes-Grünen dürfte ein Dauerfeuer aus Stuttgart jedenfalls schaden.
14 Oct 2013
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