taz.de -- Feinstaub und Ozon: Krank durch dicke Luft
90 Prozent der Europäer in Städten bekommen zu viele Schadstoffe ab. Schuld daran sind Industrie, Verkehr und die Landwirtschaft.
BERLIN taz | Neun von zehn Stadtbewohnern in der Europäischen Union sind Luftschadstoffen in Konzentrationen ausgesetzt, die als gesundheitsschädlich gelten. Das ist das Ergebnis eines neuen Luftqualitätsberichtes der Europäischen Umweltagentur, der gestern veröffentlicht wurde.
Demnach waren zwischen 2009 und 2011 bis zu 96 Prozent der Stadtbewohner – zumindest zeitweise – Feinstaubkonzentrationen ausgesetzt, die die Weltgesundheitsorganisation als gesundheitsschädlich einstuft. 98 Prozent mussten zu hohe Ozonwerte ertragen. Zur Luftverschmutzung tragen Industrie, Verkehr, Landwirtschaft und private Haushalte – etwa durch Öfen, Kamine oder Silvesterfeuerwerke – bei.
Trotz sinkender Emissionswerte und des Rückgangs bestimmter Schadstoffkonzentrationen in den letzten Jahrzehnten zeige der Bericht, dass das Luftverschmutzungsproblem in Europa noch lange nicht gelöst sei, so die Umweltagentur. Vor allem Feinstaub und Ozon führten nach wie vor zu Atemwegs- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Leif Müller, Bundesgeschäftsführer des Umweltverbandes Nabu, warnte vor den Kosten dieser Entwicklung. Die schlechte Luft sorge für Krankheiten, deren Behandlung in Europa jährlich einen volkswirtschaftlichen Schaden von bis zu 790 Milliarden Euro verursache. Hinzu kämen Kosten für Umweltschäden wie versauerte oder überdüngte Böden und Gewässer.
Erhöhtes Risiko für Neugeborene
Britische Forscher haben unterdessen in einer europäischen Studie herausgefunden, dass Luftverschmutzung und dichter Verkehr Neugeborene schädigen können. Babys, deren Mütter hohen Feinstaubbelastungen ausgesetzt waren, haben demnach ein höheres Risiko, mit einem zu niedrigen Geburtsgewicht (weniger als 2.500 Gramm) und einem geringeren Kopfumfang zur Welt zu kommen.
Eine Erhöhung der Feinstaubkonzentration von fünf Mikrogramm je Kubikmeter Luft während der Schwangerschaft habe demnach mit einem um 18 Prozent höheren Risiko korrespondiert, dass das Neugeborene mit Untergewicht zur Welt kommt, heißt es in der Studie, die in der Fachzeitung [1][The Lancet Respiratory Medicine Journal] veröffentlicht wurde.
Ein zu niedriges Geburtsgewicht kann lebenslang zu gesundheitlichen Schwierigkeiten führen. Ein zu kleiner Kopfumfang kann wiederum Probleme bei der neurologischen Entwicklung verursachen. Zwar begründet der statistische Zusammenhang zwischen Untergewicht und Luftverschmutzung noch keinen kausalen – dennoch warnen die Forscher eindringlich: „Ein substanzieller Anteil der Fälle von Untergewicht bei Neugeborenen könnte verhindert werden, wenn in europäischen Städten die Luftverschmutzung verringert würde.“
15 Oct 2013
LINKS
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Einige murren, andere entdecken positive Nebenaspekte. Wegen der schlechten Luft verhängte die Stadt Paris ein Fahrverbot für die Hälfte der Autos.
Wegen akuter Luftverschmutzung werden in der französischen Hauptstadt nun Fahrverbote verhängt. Das reicht nicht, sagen Umweltschützer.
Mikropartikel können die Gesundheit schädigen. Deshalb gibt es Umweltzonen. Aber reichen die Grenzwerte in der EU aus? Eine neue Studie bezweifelt das.
Wiesbaden fast so schlimm wie Peking: Auch nach dem von der EU-Kommission ausgerufenen „Jahr der Luft“ bleibt die Schadstoffbelastung hoch.
Die Feinstaubbelastung in Frankreichs Hauptstadt steigt und steigt. Nun reagiert die Verwaltung – und verbietet die Benutzung von Kaminen.
Gegen Luftverschmutzung oder Bauvorhaben können Bürger klagen. Doch die EU-Kommission urteilt: In Deutschland ist die Position der Kläger ist zu schwach.
Die Deutsche Umwelthilfe erstreitet ein Klagerecht für Verbände im Bereich des gesamten EU-Umweltrechts. ist das eine „Zeitenwende“?
Das Land plant, seine Umweltverschmutzung einzudämmen. So soll der CO2-Ausstoß binnen vier Jahren um 30 Prozent reduziert werden.
Herzinfarkte, Lungenkrebs und Bronchitis: Deutschlands schädlichste Meiler sind für 3.100 Todesfälle verantwortlich.
Wegen der Umweltzone gibt es sieben Prozent weniger Feinstaub in der Stadt. Die Umweltverwaltung denkt nun über mehr Tempo-30-Zonen nach.