taz.de -- Kommentar Shutdown USA: Mehr als absurdes Theater

Die Fachsimpelei über sonderbare Republikaner und das Schauspiel in Washington dürfen nicht über den Ernst der Lage hinwegtäuschen.
Bild: Nicht nur außerhalb der USA halten viele die radikalen Republikaner für irre.

Es entbehrt nicht der Ironie, dass ausgerechnet jene, die als Sparkommissare in die US-Politik gezogen sind, als Abgeordnete mit der mutwilligen Stillegung ihrer Regierung völlig sinnentleerte Kosten in Milliardenhöhe verursachen. Und dass eben diese, die in ihrem Wahlkampf gegen „Washington“ hetzten, den Kongress als Abgeordnete nun mit systematischer Blockade-Politik so unpopulär machen, wie nie zuvor in der Geschichte.

Wir könnten sagen: Jedes Volk hat die Politiker, die es verdient. Wir könnten staunen. wie diese gewählten Männer und Frauen dem Rest der Welt Lektionen über die richtige Politik, die richtige Wirtschaft und über Krieg und Frieden erteilen, zugleich aber in ihrer eigenen Hauptstadt unfähig sind, Routineaufgaben zu erledigen.

Wie wenige Dutzend Tea Partier diese Regierung lahm legen, indem sie ideologisch geprägte Bedingungen für die Bewilligung eines Haushalt stellen, und dafür, ihrer Regierung das Recht für die Aufnahme von Krediten am Kapitalmarkt zu gewähren. Wir könnten uns wundern, dass die angeblich „moderate“ Spitze der Republikanischen Partei ihren radikal Rechten folgt. Und wir könnten darüber fachsimpeln, dass die Institutionen der USA nicht mehr adäquat funktionieren; dass der Kongress, mit seinen lediglich zwei Parteien, nicht einmal annähernd die Meinungsvielfalt im Land spiegelt.

Die Tea Partier, die Washington vor sich hertreiben, vertreten Positionen, die fast überall außerhalb der USA als obskurantistisch gelten: Sie leugnen, dass der Klimawandel menschengemacht ist, sie bestreiten die Evolution, sie bekämpfen Umweltauflagen, sie nennen eine zaghafte Gesundheitsreform das „Schlimmste seit der Sklaverei“ und sie stemmen sich gegen die staatliche Unterstützung von sozial Schwachen. Wobei es natürlich kein Zufall ist, dass die meisten Tea Partier weiß und Mittelschichtler sind und dass viele Nutznießer der von ihnen bekämpften sozialstaatlichen Leistungen Latinos oder Afroamerikaner sind.

Wir könnten das Ganze als Rückzugsgefecht von Repräsentanten einer vergangenen Welt betrachten, die in ihrem eigenen Land bald „ihre“ Bevölkerungsmehrheit verlieren werden. Oder als Ausdruck der tiefsten US-amerikanischen Provinz auf der obersten Ebene. Es könnte absurdes Theater sein.

Aber es ist kein Theater. Es ist ernst. Die hausgemachte Krise in Washington wird weitreichende Konsequenzen haben, selbst wenn an den Börsen noch keine Panik zu spüren ist. Wir wissen längst, dass selbst im günstigsten Fall am Ende dieser Krise keine Lösung, sondern nur Stückwerk und eine Verschiebung des Problems zu erwarten ist.

Wenige Stunden bevor die Zahlungsunfähigkeit der USA inklusive einer internationale Schockwelle droht, gibt es in Washington zumindest zwei Gewissheiten: Das aktuelle Chaos wurde mutwillig, aus ideologischer Verbrämung heraus ausgelöst. Und es wird wieder passieren. Vielleicht schon vor dem Jahresende. Vielleicht erst ein paar Wochen später.

16 Oct 2013

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Dorothea Hahn

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