taz.de -- Flüchtlinge in Berlin: Mäzen für einen Kessel gesucht

Zwei ehemalige Gästehäuser kommen als Unterkünfte für die Flüchtlinge vom Oranienplatz in Frage. Klar ist schon: Die Heizung funktioniert nicht.
Bild: Die Lampedusa-Gruppe vom Oranienplatz würde lieber in Kreuzberg ein festes Haus beziehen.

BERLIN taz | Auf dem Schild steht noch der Name des Vormieters: „Jugendgästehaus der deutschen Schreberjugend“. Aber die drei langezogenen rosafarbenen Riegel in der Franz-Künstler-Straße in Kreuzberg stehen seit zehn Monaten leer. Am Dienstag wird der Präsident des Landesamtes für Gesundheit und Soziales (Lageso) Franz Allert die Anlage mit der Bezirsksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg, Monika Herrmann, besichtigen.

Allert sucht händeringend neue Flüchtlingsunterkünfte. Herrmann hat ihm das ehemalige Hostel unter der Prämisse angeboten, dass die Flüchtlinge vom Protestcamp auf dem Oranienplatz in eines der drei Häuser einziehen können.

Die überwiegend über Lampedusa nach Europa gekommenen Flüchtlinge leben seit über einem Jahr in Zelten auf dem Oranienplatz. Die Zeit für einen Umzug in ein festes Quartier drängt, denn der Winter naht. Nach längerer Suche gibt es neben der Franz-Künstler-Straße noch eine zweite Variante für die 60 bis 150 Leute: ein ehemaliges Hostel in Friedrichshain, das Sozialsenator Mario Czaja (CDU) aufgetan hat.

„Das Angebot steht“ sagte Czaja Sprecherin Regina Kneiding am Montag zur taz. Das Haus, das von einem „erfahrenen Träger der Wohnungshilfe“ betrieben werde, könne von den Flüchtlingen kurzfristig bezogen werden.

Finanziert werden soll die Unterbringung der Flüchtlinge aus Mitteln der Kältehilfe. Die Senatsverwaltung für Finanzen hat für die Wintermonate eine Gesamtsumme von 136.000 Euro zugesagt – egal, welche Variante am Ende den Zuschlag bekommt.

Im Bezirk verwurzelt

„Beide Häuser sind in der Prüfung“, bestätigte Bezirksbürgermeisterin Herrmann am Montag. Sie selbst favorisiere die Franz-Künstler-Straße. Der Grund: Die evanglische Kirche, die viel Erfahrung in der Flüchtlingshilfe habe, stehe dort bereit, um die Trägerschaft zu übernehmen. Voraussetzung sei aber, dass Lageso-Chef Allert mitziehe. Die drei Häuser seien in gutem Zustand. Auf allen Etagen gebe es Duschen und Toiletten, alle Zimmer seien mit Heizkörpern ausgestattet.

Das Problem sei nur: Der Heizkessel, mit dem die gesamte Anlage betrieben wurde, fehlt. Ein neuer Kessel würde 20.000 bis 30.000 Euro kosten, schätzt Herrmann. Der Bezirk könne das nicht alleine bezahlen. „Ich hoffe sehr, dass Herr Allert den Vorschlag positiv aufnimmt und man sich über die finanziellen Bedingungen einigen kann.“

Die Sprecherin der Sozialverwaltung wollte Herrmanns Vorschlag nicht kommentieren. Man werde dem Besichtigunstermin am Dienstag nicht vorgreifen, so Kneiding. Jedes Angebot von Seiten der Bezirke für die Unterbringung von Flüchtlingen sei indes willkommen, betonte sie. Die vorhandenen Gemeinschafts- und Notunterkünfte seien mit den aktuell dort untergebrachten 7.562 Menschen überbelegt.

Hätte die Lampedusa-Gruppe vom Oranienplatz die Wahl – die Flüchtlinge würden lieber in Kreuzberg ein festes Haus beziehen als in Friedrichshain. „Dann könnten sie ihre nachbarschaftlichen Kontakte weiter pflegen“, sagte die Unterstützerin Taina Gärtner, „sie sind im Bezirk verwurzelt.“

Auch für die 25 Flüchtlinge, die am Brandenburger Tor einen zehntägigen Hungerstreik durchgeführt haben, zeichnet sich eine Lösung ab. Seit über einer Woche wohnen sie provisorisch in einer Obdachloseneinrichtung der Heilig-Kreuz-Gemeinde. Nun habe ein Träger der Katholischen Kirche ein Haus angeboten, sagte der Migrationsbeauftragte der evangelischen Kirche, Hanns Thomä.

28 Oct 2013

AUTOREN

Plutonia Plarre

TAGS

Oranienplatz
Berlin
Flüchtlinge
Flüchtlinge
Flüchtlinge
Flüchtlinge
Flüchtlinge
Asyl

ARTIKEL ZUM THEMA

Flüchtlingsberatung im Wandel: "Die Ausländerbehörde ist eine harte Nuss"

Seit 30 Jahren gibt es die Kontakt- und Beratungsstelle für Flüchtlinge und Migranten (KuB) in Kreuzberg. Sie hilft allen, die durch die Hilfsnetze fallen - ehrenamtlich.

Soli-Demo für Flüchtlinge in Hamburg: 15.000 fordern Bleiberecht

Ein Bündnis unterschiedlichster Gruppen zog am Samstag durch die Staßen der Hansestadt. Es protestierte gegen die restriktive Flüchtlingspolitik des SPD-Senats.

Flüchtlinge verlassen Oranienplatz: Camp gibt grünes Licht für Umzug

Die Flüchtlinge vom Oranienplatz votieren für Umzug nach Friedrichshain in ein früheres Hostel. Dort sollen sie feste Regeln erwarten.

Flüchtlingsleichen in Niger: In der Wüste verdurstet

Am Mittwoch wurden in der nigrischen Wüste zahlreiche Leichen von Flüchtlingen gefunden. Darunter fast 50 Kinder. Helfer berichten von schockierendem Anblick.

Flüchtlingsprotest in Berlin: Erfolgreicher Häuserkampf

Die Protestierenden vom Oranienplatz und vom Brandenburger Tor haben Angebote für Unterkünfte. Strittig bleibt indes die Finanzierung.

Flüchtlingsproteste in Deutschland: Lampedusa hat nichts geändert

In Hamburg mehrt sich Kritik am Vorgehen der Polizei. In Berlin kollabieren immer mehr Menschen beim Durststreik.

Camp am Oranienplatz: Auf der Flucht vor der Kältehilfe

Senat und Bezirk wollen Flüchtlinge nicht mehr auf Platz übernachten lassen. Dafür bieten sie den Bewohnern Winterquartiere an.