taz.de -- Neonazi-Netzwerk in Brandenburg: Richter prüfen Klage gegen Verbot
Seit Juni 2012 ist das Netzwerk „Widerstandsbewegung in Südbrandenburg“ illegal. Seine Mitglieder sind aber weiter klandestin unterwegs – und nun auch vors Gericht gezogen.
BERLIN/POTSDAM dpa | Seit knapp eineinhalb Jahren ist das Neonazi-Netzwerk „Widerstandsbewegung in Südbrandenburg“ verboten – nun entscheidet die Justiz, ob es dabei bleibt. An diesem Mittwoch (20. November) prüft das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg die Klage der rechtsextremistischen Gruppierung gegen Brandenburgs Innenministerium. Es hatte – damals noch unter Leitung des heutigen Ministerpräsidenten Dietmar Woidke (SPD) – das Verbot im Juni 2012 ausgesprochen. Ein Urteil der Berliner Richter wird noch am selben Tag erwartet, sagte eine Gerichtssprecherin.
„Die Verbotsverfügung ist umfassend und sorgfältig begründet“, sagte der Sprecher des Innenministeriums, Ingo Decker. Verbunden mit einer Razzia wurde die Verfügung 27 Mitgliedern der Gruppierung damals zugestellt. Die meisten von ihnen stammten laut Ministerium aus dem Raum Lübben und Lübbenau, es gab aber auch Anhänger aus Cottbus und Spremberg. Vor Gericht werden die Neonazis von einem einschlägig bekannten Szene-Anwalt vertreten.
Die auch als „Spreelichter“ bekannte Gruppe war wegen ihrer verfassungsfeindlichen Aktivitäten verboten worden. Vor allem ihre gespenstischen Fackelzüge waren berüchtigt. Für Aktionen nutzte das Neonazi-Netzwerk vor allem das Internet. Schwerpunkte bildeten zunächst die märkische und sächsische Lausitz, es fanden sich jedoch bundesweit Nachahmer in der rechten Szene. Zudem unterwanderten die Neonazis die regionale Kampfsport-Szene.
Nach Einschätzung des Vereins Opferperspektive hat das Verbot die Handlungsfähigkeit der Neonazi-Gruppierung eingeschränkt. Von ihren Mitgliedern gehe jedoch weiterhin eine Bedrohung aus. „Man kann keine Gesinnung verbieten“, so Sprecher Decker. „Wir sind uns durchaus bewusst, dass mit dem Vereinsverbot nicht sämtliche politisch-extremistischen Aktivitäten der Betroffenen zum Erliegen kommen.“
So komme es insbesondere in Cottbus, Lübben, im Raum Senftenberg und Calau immer wieder zu Schmierereien und Plakatierungen mit rechtsextremistischen Inhalt. Oft sei ein inhaltlicher Bezug zu den Kampagnen der verbotenen Gruppierung erkennbar. Die Polizei ermittele, so Decker.
Das Verbot war laut Ministerium seit 1995 das siebte und jüngste gegen eine rechtsextremistische Vereinigung. Anders als in Sachsen oder Mecklenburg-Vorpommern fasst die NPD in Brandenburg nicht Fuß. Dafür bereitet die parteiunabhängige Neonazi-Szene den Verfassungsschützern große Sorge. Rechte Kameradschaften haben in den vergangenen Jahren verstärkt Zulauf. Laut Verfassungsschutzbericht 2012 stellten sie mit rund 430 Mitgliedern (2011: 410) das stärkste Segment des Rechtsextremismus.
18 Nov 2013
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
In Cottbus wollten 126 Neonazis für die rechtsextreme NPD demonstrieren. Doch ihnen stellten sich 3000 Gegendemonstranten in den Weg.
In Brandenburg ist ein längst verbotenes Neonazi-Netzwerk immer noch aktiv. Mit Kostümen und Schaufeln tauchen die Nazis an Schulen auf.
Marian Kotleba hat die Stichwahl in einer Regionalwahl der Slowakei gewonnen. Seine rechtsextreme Partei hetzt gegen Roma, Homosexuelle und Israel.
Rechtsextremismus kann auch in Kitas zum Problem werden, etwa, wenn Kinder nicht mit Dunkelhäutigen spielen wollen. Das berichtet die Amadeu-Antonio-Stiftung.
Junge Wissenschaftler starten eine Crowdfunding-Kampagne für eine unabhängige Ausstellung über das Versagen des sächsischen Verfassungsschutzes.
Am Samstag fand im „Rössle“ in Söllingen ein zuvor in Dortmund verbotenes Nazikonzert statt. Die Gaststätte gilt als Treff der ultrarechten Szene.
Aggressive Aktionen gegen Flüchtlingsheime: Die NPD will von rassistischen Stimmungen in der Mitte der Gesellschaft profitieren.
Schneeberg für Menschlichkeit: Unter diesem Motto stellten sich Bürger in der sächsischen Stadt einer von der NPD organisierten Demo gegen Asylbewerber entgegen.
Sebastian Schmidtke muss sich wegen Volksverhetzung und Verbreitung von Gewaltaufrufen verantworten. Es geht um CDs, auf denen gegen Juden gehetzt wird.
In Schöneweide jagen Neonazis einen Mann durch die Brückenstraße. Das Gericht stellt die Verfahren ein – obwohl die Männer einer „Terrorcrew“ angehören.
In Brandenburg ist ein Neonazi-Gruppe verboten worden, die vor allem mit unangemeldeten Demos aufgefallen war. Bei einer Razzia sicherten Polizisten Beweise.