taz.de -- Kommentar Widerstand in Libyen: Hoffnungsschimmer in Tripolis

Nach den Ausschreitungen am vergangenen Wochenende geht Libyens Jugend in Tripolis auf die Straße. Das gibt Auftrieb.
Bild: Mit weißen Fahnen gegen die Miliz: Libysche Schüler und Studenten demonstrieren gegen die militärische Präsenz in Tripolis.

Libyens Jugend demonstriert wieder. Wieder ist es die Willkür einer diktatorischen Miliz, die den Volkszorn entfacht hat. Wieder mobilisieren im Untergrund arbeitende Netzwerke die Straße. Diesmal ist es aber nicht das rebellische Bengasi, das sich unbewaffnet den Kalaschnikows der Milizen entgegenstellt.

Diesmal sind es die Revolutionäre aus Tripolis, die sich nach dreijährigem Chaos mit weißen Fahnen und einem Generalstreik den Milizen entgegenstellen, die sich als Besatzer im eigenen Land aufführten und die am vergangenen Freitag ein Blutbad unter der Bevölkerung angerichtet haben.

Die Auseinandersetzungen haben einen Vorlauf: Exdiktator Muammar al-Gaddafi hatte Städte und Stämme strikt voneinander getrennt gehalten und das Land wie ein Kolonialherrscher nach dem Motto „Teile und herrsche“ regiert. In Misurata, 200 Kilometer von Tripolis entfernt, waren die Vorurteile gegen den Zentralismus in der Hauptstadt daher besonders groß. Und der Wille zur Versöhnung mit den Angreifern aus dem benachbarten Tawarga besonders gering.

Nun haben die vernünftigen Stimmen der Zivilgesellschaft in Tripolis wieder das Sagen. Und sie werden einige Misurata-Einheiten als Teil der Armee wieder in die Stadt bitten. Libyen stützt sich auf feste Familienstrukturen und funktionierende Nachbarschaften. Ein demokratischer Staat entsteht gerade erst. Auch wenn die ganze Welt über die schwache Regierung klagt, einen autoritären Staat würde zurzeit niemand im Land akzeptieren.

Am vergangenen Freitag ist Libyen knapp an einem Bürgerkrieg vorbeigeschrammt. Dass nun so viele Demonstranten in Tripolis zu Mäßigung und Versöhnung mit Misurata aufrufen, ist wenigstens ein kleiner Hoffnungsschimmer.

20 Nov 2013

AUTOREN

Mirco Keilberth

TAGS

Tripolis
Milizen
Muammar al-Gaddafi
Besetzung
Libyen
Libyen
Libyen
Libyen
Libyen
Libyen

ARTIKEL ZUM THEMA

Minderheitenrechte in Libyen: Couchsurfing und Kalaschnikow

„Gaddafi ist zwar weg, aber die Mechanismen seiner Regierung sind geblieben“, sagt ein junger Mann frustriert. 70 Prozent aller Libyer sind unter 30.

Krise in Libyen: Auch Bengasi will Milizen loswerden

Gefechte zwischen Armee und Islamisten fordern Tote und Verletzte. Über 100 Angehörige der Sicherheitskräfte wurden schon umgebracht

Protest gegen Milizen in Libyen: „Tripolis steht endlich auf“

Nach der Gewalt am Wochenende kehren die Einwohner von Tripolis zum Protest auf die Straßen zurück. Die Kämpfer aus Misurata ziehen ab.

Unruhen in Libyen: Panzer nach Tripolis

Nach den Kämpfen am Wochenende schickt die libysche Armee schwere Einheiten in die Hauptstadt. In Bengasi entgeht der Militärgouverneur der Stadt einem Anschlag.

Gewalt in Libyen: Ausnahmezustand in Tripolis

In der Hauptstadt Tripolis liefern sich Milizionäre heftige Kämpfe. Zuvor hatten Bewaffnete auf demonstrierende Bürger geschossen.

Demonstration eskaliert in Libyen: Miliz schießt auf Protestierende

In Tripolis sind am Freitag Demonstrationen in Gewalt umgeschlagen: Milizen sollen auf die Protestierenden geschossen haben. Mehr als 40 Menschen sind tot.

Krise in Libyen: Schwerste Kämpfe seit Gaddafis Sturz

Ein Milizenchef aus Misurata wird in Tripolis im Streit erschossen. Seine Miliz rückt mit 1.500 Mann in der Hauptstadt ein.