taz.de -- Anzeigen in SPD-Mitgliederzeitung: Grundwert Kohle
Ein Verein will im „Vorwärts“ eine Anzeige gegen Kohlestrom schalten. Sie wird abgelehnt. Vattenfall wirbt in der gleichen Ausgabe für Lausitzer Braunkohle.
Zwischen den folgenden Vorgängen besteht kein direkter kausaler Zusammenhang: Der Vorwärts, [1][die Mitgliederzeitung der SPD], lehnte es in der vergangenen Woche ab, in seiner Dezemberausgabe eine Anzeige des [2][Solarenergie-Fördervereins Deutschland] zu drucken, die sich gegen Kohlestrom wendet. In der gleichen Ausgabe erscheint aber eine Anzeige von [3][Vattenfall]: „Lausitzer Braunkohle: Partner für den Energie-Mix der Zukunft“ steht da neben einem lächelnden, behelmten Arbeiter.
Die SPD-Verhandlungsführerin für das Thema Energie in den Koalitionsgesprächen, Hannelore Kraft, sagt beispielsweise im WDR Sätze wie: „Ich bin ein Freund der Kohle. Und das bleibe ich auch.“ Es ist maßgeblich ihre Errungenschaft, dass im Koalitionsvertrag, so er kommt, stehen wird, dass Braunkohle und Steinkohle auf „absehbare Zeit unverzichtbar“ sind. Das zitiert auch die Anzeige des Solarvereins.
Wie gesagt, kein kausaler Zusammenhang, weder ist die Vattenfall-Anzeige statt der Anti-Kohle-Anzeige erschienen, noch hat Kraft persönlich etwas damit zu tun. Es ist eher der Geist, der durch die Partei weht: Die SPD positioniert sich als Partei pro Kohle, drückt die Position in einem möglichen Koalitionsvertrag durch, über den allerdings die Basis der Partei, sämtliche Mitglieder also, abstimmen werden – daheim, nicht auf einem Parteitag, wo man noch mit einer feurigen Rede Zweifel, etwa am Kohlekurs, ausräumen kann.
Nun hat der Solarverein in seinem ersten Entwurf der Anzeige neben einem Cartoon des Karikaturisten Gerhard Mester geschrieben, der Klimawandel werde „vor allem durch Braunkohle u. Steinkohle verursacht“, das führe zu „Tausenden von Toten“, und im Fazit heißt es: „Stimmen Sie diesem Koalitionsvertrag mit CDU/CSU nicht zu.“
Welcher Grundwert? Kohle?
Entsprechend fiel die schriftliche Absage des Verlags aus: Man könne nicht kurz vor einem Mitgliedervotum zum Koalitionsvertrag in der Mitgliederzeitung der SPD eine Anzeige schalten, in der dazu aufgerufen wird, den Vertrag abzulehnen. Zudem dürfe man keine Anzeigen schalten, die „sozialdemokratischen Grundwerten“ widersprechen. Welcher Grundwert? Kohle?
Ja, das sei alles etwas unglücklich formuliert, sagt eine Sprecherin, aber im Kern sei das ein normaler Vorgang, dass ein Verlag Anzeigen ablehne. Außerdem gebe es noch gar keinen Koalitionsvertrag, die Anzeige sei also inhaltlich nicht korrekt.
Der Solarverein schickte einen zweiten Entwurf. Dort fehlte der Aufruf, den Koalitionsvertrag abzulehnen. Stattdessen schreibt der Verein über die „unverzichtbare“ Kohle: „Als Umweltschutzverein sind wir über diesen Punkt entsetzt.“ Vorwärts lehnt die Anzeige wieder ab. „Auch unser Entsetzen widerspricht den sozialdemokratischen Grundsätzen?“, fragt daraufhin Rüdiger Haude vom Solarverein und wandelt den SPD-Wahlkampfslogan „Das WIR entscheidet“ um in „Die RWE entscheiden“.
21 Nov 2013
LINKS
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
RWE kann weiter Löcher in die Landschaft fräsen, um Braunkohle abzugraben. Der letzte Anwohner ist schwer enttäuscht vom Urteil des Verfassungsgerichts.
Hannelore Kraft legt sich fest: „Ich werde nie als Kanzlerkandidatin antreten“, sagt die SPD-Politikerin. Und tritt damit Spekulationen entgegen.
Bodo Ramelow, Fraktionschef der Linkspartei in Thüringen, lobt die Dehnungsübungen der SPD, die sich mit der Rolle als Juniorpartner anfreundet.
Nach der Energiewende müssen noch die Atomkraftwerke entsorgt werden. Zahlen sollen die Energiekonzerne. Aber was passiert, wenn einer pleite geht?
Die EU-Kommission hält nichts von Industrierabatten auf Ökostrom. Doch auf Druck von CDU und SPD lässt sich Brüssel Zeit mit Sanktionen.
Erste Details für die Reform des Erneuerbare-Energie-Gesetzes stehen fest. Es gibt weniger Geld für Windkraft und mehr Macht für die Industrie.