taz.de -- WTO-Verhandlungen in Indonesien: An Indien führt kein Weg vorbei

Der WTO droht ein neuer großer Misserfolg: Nach der Doha-Runde scheint nun das Bali-Paket zu scheitern. Beide sollten für Wachstum und weniger Armut sorgen.
Bild: Proteste in Indien: Für Sebstbestimmung, gegen die WTO.

NUSA DUA dpa | Der Durchbruch zu einem Welthandelsabkommen wird wegen des Widerstandes Indiens blockiert. Die Verhandlungen darüber gerieten am Mittwoch ins Stocken. „Die Sturmwolken des Scheiterns hängen direkt über uns“, sagte EU-Handelskommissar Karel De Gucht [1][//mc9.wto.org/:bei der 9. Welthandelskonferenz] im Ferienort Nusa Dua auf der indonesischen Insel Bali. Ähnlich äußerte sich der US-Handelsbeauftragte Michael Froman.

Trotz zahlreicher Appelle, Kompromissbereitschaft zu zeigen, erklärte Indiens Handelsminister Anand Sharma, seine Regierung könne einzelne Bestimmungen des sogenannten Bali-Pakets nicht akzeptieren. Sie würden die Nahrungsmittelsicherheit für Millionen von Menschen gefährden.

Indien will die von der WTO vorgesehene Befristung staatlicher Subventionen zum Aufbau von Lebensmittelreserven auf vier Jahre nicht hinnehmen. „Für Indien ist Nahrungsmittelsicherheit nicht verhandelbar“, betonte Sharma vor Vertretern der 160 WTO-Staaten.

Indien hatte im August ein Ernährungsprogramm verabschiedet, das 820 Millionen Menschen mit subventioniertem Getreide versorgen und die Preise niedrig halten soll. Wird das Programm wie geplant umgesetzt, durchbricht Indien die von der WTO zugelassene Schwelle für Agrarsubventionen im Umfang von zehn Prozent der Gesamtproduktion.

„Friedensklausel“ gefordert

Von dem 16 Milliarden Euro teuren Mammutprojekt profitieren auch Indiens Bauern und Händler. Sie verlangen von der Regierung, dem Druck bei der Welthandelskonferenz nicht nachzugeben – und drohen mit Konsequenzen bei Indiens Wahlen im Frühjahr.

Die Regierung in Neu Delhi verlangt von der WTO eine dauerhafte „Friedensklausel“, die es anderen Staaten verwehren würde, Indien wegen unerlaubter Subventionen im Agrarbereich zu verklagen. Die USA und die EU, aber auch Länder wie Pakistan und Thailand lehnen das ab.

Das Bali-Vertragswerk sieht neben dem Abbau von Agrarsubventionen auch Vereinfachungen bei der Zollabwicklung sowie größere Exportmöglichkeiten für Entwicklungsländer vor. Experten zufolge könnten damit Wachstumsimpulse im Umfang von bis zu einer Billion US-Dollar erreicht werden. Zudem soll das Bali-Paket einen Neustart für die seit Jahren stagnierende Doha-Welthandelsrunde ermöglichen.

Jemen ist 160. Mitgliedstaat

Ein Scheitern werde schwerwiegende Folgen „für die internationale Gemeinschaft, das Welthandelssystem sowie auch für die WTO selbst haben“, warnte EU-Handelskommissar De Gucht. „Es würde die Grundlage der WTO erschüttern, und man kann schwer vorhersagen, was dann noch von ihr übrig bleiben wird.“

Der US-Handelsbeauftragte Froman erklärte, kein WTO-Mitgliedsland könne alles bekommen, was es wolle. Auch die USA hätten bei den wochenlangen Vorverhandlungen Kompromisse akzeptiert. Bis Freitag sollen weitere Versuche zur Überbrückung der Differenzen unternommen werden.

WTO-Generaldirektor Roberto Azevêdo rief alle Regierungen auf, den nötigen politischen Willen aufzubringen. Einziger Lichtblick der Konferenz: Der Jemen wurde am Mittwoch als 160. Mitgliedstaat in die 1995 gegründete Organisation aufgenommen.

4 Dec 2013

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