taz.de -- Kommentar WTO-Verhandlungen: Scheitern ist auch keine Lösung
Globalisierung darf nicht über Leichen gehen. Dass will die WTO einfach nicht wahrhaben. Das Scheitern der Verhandlungen nutzt aber niemandem.
Ernährungssicherheit vor Freihandel – mit dieser Forderung bringt Indien möglicherweise die einstmals so mächtige Welthandelsorganisation WTO zu Fall. Längst haben Untersuchungen belegt, dass der freie Welthandel nicht für alle Wohlfahrtsgewinne bringt.
Es gibt immer auch Verlierer: Arbeiter in international nicht wettbewerbsfähigen Fabriken oder Kleinbauern, die den großen Agrarkonzernen nichts entgegensetzen können.
Globalisierung darf nicht über Leichen gehen. Dass die WTO diesen Umstand einfach nicht wahrhaben wollte, ist wohl der wesentliche Grund für ihr Scheitern.
Die auf Bali geäußerte Kritik, das indische Ernährungsprogramm nütze den ärmsten der Kleinbauern wenig, kann nicht als Rechtfertigung für Freihandel à la WTO herhalten.
Die logische Konsequenz wäre allenfalls eine bessere Ausgestaltung des Programms. Auch muss einen nicht beunruhigen, dass sich einige Entwicklungsländer über Indiens Haltung empörten. Es handelt sich meist um Schwellenländer, die als große Agrarexporteure ihrerseits den Weltmarkt dominieren wollen.
Das eigentliche Problem lautet: Ist das Scheitern der WTO wirklich so erfreulich, wie es auf den ersten Blick erscheint? Die Alternative zur WTO gibt es längst: Die großen Handelsmächte schließen bilaterale Abkommen – teils untereinander wie derzeit die USA und die EU mit ihrem transatlantischen Freihandelsabkommen, das in erster Linie die Interessen großer Investoren bedient, teils mit einzelnen Handelspartnern aus dem Süden, die sich so allein am Verhandlungstisch gegen die Zumutungen der Industrieländer kaum zur Wehr setzen können.
Mit dem Scheitern des Bali-Pakets ist also noch nichts gewonnen. Der Kampf gegen den ungehemmten Freihandel geht damit lediglich in die nächste Runde.
6 Dec 2013
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