taz.de -- Kommentar Kundus-Urteil: Erwartbar und beklemmend
Beim Bombardement in Kundus gab es keinen Rechtsbruch, urteilt das Bonner Landgericht – und belohnt die Ahnungslosigkeit der deutschen Armee.
Brigadegeneral Georg Klein hat seine Pflichten nicht verletzt, als er 2009, damals noch als Oberst, den Befehl zum Bombardement im afghanischen Kundus gab. Also muss die Bundesrepublik keinen Schadenersatz für die Familien der ungefähr hundert Todesopfer zahlen. So befand es [1][am Dienstagmittag das Bonner Landgericht].
Vielleicht war dieses Urteil erwartbar. In jedem Fall wirft es erneut ein beklemmendes Licht auf den furchtbarsten Beschluss eines deutschen Soldaten seit dem Zweiten Weltkrieg. Das Gericht findet, Klein habe nicht wissen müssen, dass sich Zivilisten und Kinder an den beiden Tanklastwagen am Kundusfluss aufhielten, als er sie bombardieren ließ.
Belohnt wird hier die Ahnungslosigkeit der deutschen Truppen in Afghanistan: Klein durfte also der Aussage eines einzigen geheimdienstlichen Informanten folgen, es seien nur feindliche Kämpfer am Fluss. Er durfte es für möglich halten, dass hundert oder mehr Taliban sich stundenlang um zwei Lkws versammeln. Er durfte die Fragen der US-Kampfpiloten, ob man die Menschen durch einen Tiefflug nicht warnen müsse, verwerfen. Er durfte sogar eine unmittelbare Gefahr für seine Truppe erfinden.
Ein Gutteil der Aufarbeitung der Bombennacht – ob in den Medien oder im Bundestagsuntersuchungsausschuss – stand unter dem Motto, es dürfe nur den ersten Stein werfen, wer es im Gefechtsstand von Kundus besser gemacht hätte. Wirklich große Katastrophen lösen oft diesen christlichen Impuls aus: Solche Schuld soll kein einzelner Mann tragen müssen. Politik und Bundeswehr aber haben sich dahinter versteckt.
Was nun etwa an der Zusammenarbeit von Militär und Geheimdienst geändert wird, welche sonstigen Lehren aus Kundus zu ziehen sind, außer dort bloß abzuziehen: darauf wartet das Publikum bis heute vergebens.
11 Dec 2013
LINKS
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Die Opfer des Luftangriffs bei Kundus vor 10 Jahren wurden weder entschädigt, noch gab es eine Entschuldigung. Das ist schäbig – und politisch dumm.
Bundeswehr-Oberst Klein hatte 2009 einen Bombeneinsatz angeordnet. Dutzende Unschuldige starben. Schadensersatz bekommen ihre Familien nicht.
Mehr Geld für die Entwicklungszusammenarbeit mit Afghanistan ist gut, Transparenz ist besser. Wie wäre es mit einer Liste aller deutschen Projekte?
In einem Jahr endet der Nato-Einsatz im Kundus. Die Sicherheitslage ist immer noch prekär. Über die Zahl der Taliban-Attacken berichtet die Bundeswehr jetzt nicht mehr.
Drei Soldaten sind einem Selbstmordanschlag in Afghanistan zum Opfer gefallen. Dort gab es 3.300 tote Nato-Soldaten dieses Jahr.
Es bleibt dabei: Der Soldat trägt Kurzhaar. Schade. Männer, die sich an Regeln fürs Aussehen mehr stören als einem Schießbefehl, täten der Bundeswehr gut.
Die Angehörigen der Opfer, die bei einem Angriff in Kundus 2009 getötet wurden, erhalten keine Entschädigung. Eine Verletzung der Amtspflicht sei nicht nachzuweisen.
Dschawad Wafa arbeitet für die deutschen Truppen in Afghanistan. Deshalb sollte ihm die Einreise nach Deutschland erlaubt werden. Jetzt wurde er ermordet.
Die Bundeswehr hat die Machtstrukturen im afghanischen Kundus falsch eingeschätzt. Das ist das Fazit einer Studie des Afghanistan Analysts Network.
Auch Afghanen haben Rechte, wenn die Bundeswehr in ihrem Land Krieg führt. Der Prozess in Bonn wird die Bundeswehr im positiven Sinne hemmen.
Am Landgericht Bonn geht der Prozess wegen der Bomben von Kundus in seine entscheidende Phase. Die Opfer fordern Schadenersatz vom deutschen Staat.